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Rund 7.000 Teilnehmer beim Deutschen Pflegetag erwartet

1,7 Millionen Menschen arbeiten in Pflegeberufen. Doch in der alternden Gesellschaft braucht Deutschland mehr von ihnen. Beim Deutschen Pflegetag in Berlin geht es auch um attraktivere Berufsbilder.

Christine Vogler zeigt Optimismus. “Die Pflege ist ohne Frage in den letzten 10 Jahren deutlich selbstbewusster geworden und hat Positionen politisch offensiver und wahrnehmbarer vortragen können.” Mit diesen Worten lädt die Präsidentin des Deutschen Pflegerats am Donnerstag und Freitag die Pflegebranche zum Deutschen Pflegetag. Am schicken Tagungsort “hub27” auf der Berliner Messe werden rund 7.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer erwartet.

Alternde Gesellschaft, Personalnotstand in Kliniken und Heimen – spätestens die Corona-Pandemie hat den Deutschen vor Augen geführt, dass Pflege zwar kein Thema mit Sex-Appeal ist, aber fast jeder davon betroffen sein könnte.

Dabei droht eine veritable Personalkrise: Nicht nur, dass die Zahl der Pflegebedürftigen bis 2055 von heute 5 Millionen auf etwa 6,8 Millionen ansteigen dürfte. Absehbar ist ebenso, dass in den nächsten zehn Jahren auch 500.000 Pflegefachkräfte in Rente gehen. Die Demographie schlägt doppelt zu.

Der Ausweg ist vorgezeichnet: Die Pflege muss attraktiver werden, damit neue Kräfte gewonnen und diejenigen zurückgeholt werden können, die den Beruf aus Frust verlassen oder in die Teilzeit geflüchtet sind. Positive Entwicklungen gibt es. Seit September 2022 gilt in der Altenpflege eine Tarifpflicht. Seitdem können nur noch diejenigen Träger von Pflegeeinrichtungen mit der Pflegeversicherung abrechnen, die ihre Angestellten tarifgebunden zahlen. Auch die Pflegemindestlöhne wurden spürbar erhöht.

Vogler kann auch auf eine stärkere Stimme der Pflege im Gesundheitswesen verweisen: So plant Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) eine erweiterte Beteiligung der Pflegeberufe im Gemeinsamen Bundesausschuss, dem zentralen Gremium der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen. Er entscheidet etwa, welche Medikamente und Leistungen von den Kassen übernommen werden.

Äußerst zäh verläuft dagegen die politische und berufsständische Selbstorganisation der rund 1,7 Millionen Pflegekräfte: Beim Aufbau von Landespflegekammern – solche Gremien bestehen auch für Mediziner, Apotheker oder Handwerker – gab es Rückschläge: Derzeit arbeiten Landespflegekammern nur in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen. Baden-Württemberg ist auf einem guten Weg. In Niedersachsen und Schleswig-Holstein wurden die Gremien wegen mangelnder Akzeptanz der Pflegekräfte aufgelöst. Zudem hat eine Bundespflegekammer ihre Arbeit aufgenommen – als Impulsgeber auf Bundesebene, der zunehmend in Gesetzgebungsprozesse einbezogen wird.

Dennoch bleiben bei der Gestaltung des Pflegeberufs zahlreiche Baustellen: Beim Pflegetag wird es unter anderem um Systeme der Personalbemessung in Krankenhäusern und stationären Einrichtungen gehen. Ein großes Thema ist auch die Zusammenarbeit der Gesundheitsberufe. Der Deutsche Pflegerat dringt insbesondere auf die “Heilkundeübertragung”: Ausgebildete Pflegefachpersonen sollen selbstständiger und eigenverantwortlich arbeiten können; sie sollen beispielsweise impfen, Heil- und Hilfsmittel sowie definierte Medikamente bei Erkältungen und Schmerzen verschreiben können. Das dürfen bislang nur Ärztinnen und Ärzte. Aus Sicht des Pflegerats würde eine Reform nicht nur die Qualität der Pflege selbst verbessern, sondern auch die Attraktivität des Pflegeberufes.

Debattiert werden beim Branchentreffen auch neue Modelle der Gesundheitsversorgung: Angesichts von überlasteten Hausarztpraxen und einem wachsenden Ärztemangel auf dem Land müssten Ärzte und Pflegekräfte eine gemeinsame Versorgung anbieten, so die Pflegeverbände. “Es ist unbegreiflich, dass die ärztlichen Kolleginnen und Kollegen trotz ihrer Überlastung an den überkommenen Strukturen festhalten”, erklärte kürzlich die Präsidentin des Berufsverbands der Pflegeberufe, Christel Bienstein. Community Health Nurses, die Menschen in Dörfern und Stadtquartieren beraten und versorgen, Schulgesundheitspflegende und akademisch ausgebildete Pflegefachpersonen in Krankenhäusern und Heimen seien keine Konkurrenz zu den Ärzten, sondern das fehlende Puzzleteil in der Gesundheitsversorgung, so Bienstein. “Es wird endlich Zeit, das Konkurrenzdenken zu überwinden.”