Berlin – Das in der SPD kontrovers diskutierte Hartz-IV-Regelwerk wird nun auch von der Union, die zunächst ein Ende der Debatte gefordert hatte, kritisiert. Doch in der von Berlins Regierendem Bürgermeister Michael Müller (SPD) angeregten Debatte um ein „solidarisches Grundeinkommen“ wurden auch Warnungen laut.
Der Vorsitzende der Arbeitnehmergruppe der Union im Bundestag, Uwe Schummer (CDU), sagte in der „B.Z.“: „Die Hartz-IV-Gesetze sind Geschichte.“ Er plädiere für eine neue beschäftigungs- und bildungszentrierte Arbeitsmarktpolitik. Sinnvoll sei ein „aktivierendes Grundeinkommen“. An Müllers Modell kritisierte er allerdings, dass damit ein zweiter Arbeitsmarkt und „eine Art Parallelwelt“ geschaffen würden. Er kündigte Beratungen seiner Arbeitnehmergruppe im Mai an.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will bis zum Sommer einen Gesetzentwurf für einen sozialen Arbeitsmarkt vorlegen. „Wir müssen da Druck machen“, sagte er. Es gebe trotz der guten Entwicklung am Arbeitsmarkt immer noch zu viele Menschen, die zu lange ohne Arbeit seien. Er rechne damit, dass mit den veranschlagten Mitteln von vier Milliarden Euro bis 2021 rund 150 000 Menschen in geförderte Jobs kommen könnten. Im sozialen Arbeitsmarkt sollen Lohnkostenzuschüsse an Arbeitgeber, Wohlfahrtsverbände und kommunale Einrichtungen bezahlt werden, die Langzeitarbeitslose einstellen. Heil sagte, die Zuschüsse würden binnen fünf Jahren nach und nach abgeschmolzen. Das Ziel bleibe, die Menschen in reguläre Jobs zu bringen.
Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, forderte unterdessen im Magazin „Focus“ jene Menschen, die Hartz IV erhalten, zu befähigen, „ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen“. Hartz IV sei nie als Dauerzustand gedacht gewesen, sondern als Übergang in eine neue Arbeitsmöglichkeit. Der Münchner Erzbischof habe damals bei der Einführung bereits vor Altersarmut gewarnt, wenn so viele Arbeitsbiographien unterbrochen würden.
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, kritisierte die Höhe der Hartz-IV-Sätze. Er sagte dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“», die Regelsätze seien zu eng bemessen: „Jeder sollte sich klarmachen, wie weit er mit 416 Euro im Monat käme“, sagte der Theologe. Diakoniepräsident Ulrich Lilie begrüßte die Debatte um eine Neuausrichtung der Grundsicherung. Er sagte, der von Union und SPD vereinbarte soziale Arbeitsmarkt müsse gut ausgestaltet werden. Zugleich müsse aber eine grundlegende und kritische Debatte über die Zukunft der Grundsicherung geführt werden.
Detlef Scheele, Vorstandsvorsitzender der Bundesarbeitsagentur, warnte davor, das ganze Hartz-IV-System infrage zu stellen. Jedoch sei es vernünftig zu schauen, ob noch alles zeitgemäß sei, sagte er im Magazin „Der Spiegel“. Die aktuelle Regelung habe auch Erfolge erzielt. Es gehe darum, Schwachstellen zu beheben. epd/KNA/UK
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Rufe nach Anpassungen
Die kontrovers geführte Debatte um das Regelwerk geht weiter. Kirchen und Sozialverbände begrüßen die Diskussion um eine Neuausrichtung der Grundsicherung