Der rheinische Präses Thorsten Latzel kritisiert eine Instrumentalisierung der Anschläge von Aschaffenburg, Magdeburg und Solingen zur Legitimation immer neuer Forderungen von Asylverschärfung. „Eine notwendige Sicherheitsdebatte wird hier in unseliger Weise auf Kosten von Menschenrechten und gelungener Integration geführt“, sagte der leitende Theologe der Evangelischen Kirche im Rheinland am Montag in Bonn. In seinem Jahresbericht vor der rheinischen Landessynode forderte er, „die Diskussion zu versachlichen und an unseren Grundwerten zu orientieren“.
Zwar gebe es in Deutschland eine intensive Belastung durch Kriege und Gewalt in Syrien, Afghanistan und der Ukraine, sagte Latzel mit Blick auf die Flüchtlingszahlen. „Aber Migration ist nicht die Mutter aller Probleme.“ Nötig seien eine kluge Integrationspolitik und eine differenzierte Gestaltung von Zuwanderung. Es werde auch Abschiebungen geben müssen, räumte der 54-jährige Theologe ein. Dabei seien aber die „gottgegebene Würde“ und die Rechte der Betroffenen zu wahren.
Der Schutz von Fremden gehöre zu den „Grundgeboten Gottes“, betonte Latzel, der seit vier Jahren als Präses an der Spitze der zweitgrößten deutschen Landeskirche mit 2,1 Millionen Mitgliedern steht. Auch nach Anschlägen dürfe nicht der „moralische Kompass“ verloren werden: „Asyl ist kein Thema für einen politischen Überbietungswettbewerb im Wahlkampf.“ Menschenrechte gebe es nicht nur für „Schönwetterzeiten“.
Die Kirche sehe es als ihre Aufgabe, eine menschliche, offene Gesellschaft zu stärken und sich für eine „Kultur der Wahrhaftigkeit und des Anstands“ zu engagieren, unterstrich Latzel. Sie werde deshalb „allem Gerede von Remigration und völkischem Nationalismus entschieden entgegentreten“ und Hass, Hetze und Lüge widersprechen. Das demokratische Gemeinwesen lebe „vom Mitmachen, nicht vom Rummotzen“. Dagegen gehöre das Diffamieren von Medien, Parteien, Gerichten und Leitungspersonen „geradezu zum Geschäftsmodell populistischer Feinde einer offenen Gesellschaft“.
Die Demokratie sieht Latzel derzeit durch Krieg, Wirtschaftskrise, gezielte Fake News und Extremismus unter einer der stärksten Belastungen seit der NS-Zeit. Soziale Medien „im Privatbesitz populistischer Superreicher“ würden gezielt zur Schwächung der Demokratie genutzt. Mit Blick auf die vorgezogene Bundestagswahl am 23. Februar rief der evangelische Theologe dazu auf, wählen zu gehen: „Wählen Sie Menschenwürde, Nächstenliebe und Zusammenhalt!“