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Reicht eine Erklärung? EKBO äußert sich zu DDR-Seelsorger Giebeler

Von 1953 bis zum Ende der DDR tat Eckart Giebeler als Gefängnisseelsorger in Brandenburg an der Havel seinen Dienst. Die EKBO nimmt sich der Sache an. Eine Entschuldigung aber bleibt aus.

Maria Nooke ist Beauftragte des Landes Brandenburg zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur
Maria Nooke ist Beauftragte des Landes Brandenburg zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktaturprivat

Beim Blick aus dem Fenster auf den Gefängnishof entdeckte der Theologiestudent einen Mann im Talar. Schon der vertraute Anblick eines Pfarrers in dieser für den Studenten belastenden Situation gaben Halt, so seine Erinnerung. Der Pfarrer war Eckart Giebeler. Von 1953 bis zum Ende der DDR tat der Geistliche als Gefängnisseelsorger in Brandenburg an der Havel und verschiedenen DDR-Gefängnissen seinen Dienst.

Unbekannt war dem Theologiestudenten und vielen anderen Inhaftierten, die Hilfe und Unterstützung bei dem Seelsorger suchten, dass er nicht im kirchlichen Auftrag diesen Dienst tat, sondern beim DDR-Innenministerium angestellt war. Zudem arbeitete er seit 1959 für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) als Inoffizieller Mitarbeiter (IM). 1990 wurde er wie andere Bedienstete des Strafvollzugs vom Brandenburger Justizministerium übernommen. Als seine Stasi-Tätigkeit 1992 aufgedeckt wurde, beendete das Ministerium umgehend das Dienstverhältnis. Wie die Evangelische Kirche zu Eckart Giebelers Tätigkeit als Gefängnisseelsorger und IM heute steht, ist Gegenstand einer Erklärung der Kirchenleitung, die am 5. November bei einem Gottesdienst in der Berliner St. Marienkirche verlesen wurde.

EKBO bekennt sich zur Verantwortung

Die Kirchenleitung der EKBO bekennt sich darin zu ihrer Verantwortung all denen gegenüber, über die Eckart Giebeler als „IM Roland“ unter Bruch des seelsorgerlichen Schweigegebots systematisch an das MfS und das Innenministerium berichtet und nicht wenigen geschadet hat.

Für viele der Betroffenen, die Giebeler als Seelsorger vertraut hatten, war die Offenbarung über den Vertrauensbruch ein tiefer Schock. Unverständnis und Verbitterung entstanden aber auch dadurch, dass sich die Kirche nach Bekanntwerden seiner Zusammenarbeit mit dem MfS nicht an ihre Seite stellte. Stattdessen gewährte sie Giebeler Anspruch auf Versorgungsbezüge, stockte die staatliche Rente auf Pensionshöhe auf und gratulierte zu Ordinationsjubiläen.

Keine klare Entschuldigung

Eine klare Entschuldigung für Giebelers Verrat und das Verhalten der Berlin-Brandenburgischen Kirche nach seiner Enttarnung gibt es in der Erklärung nicht. Doch Bischof Stäblein benennt das Versagen in seiner Predigt: „Wir haben es lange nicht geschafft, Euch, die Ihr das ertragen musstet, die Ihr darunter gelitten habt, Ihr, deren Leben anders hätte verlaufen können und anders gewesen wäre ohne diesen Verrat, wir haben es zu lange nicht geschafft, das auszusprechen, das zu sehen, zu hören.“

Für die Glaubwürdigkeit der Kirche ist die öffentliche Erklärung im Gottesdienst von großer Bedeutung. Die Kirchenleitung kam damit dem Wunsch ehemals Inhaftierter nach, die der Bischof im Dezember 2022 zu einem Gespräch eingeladen hatte. Als Aufarbeitungsbeauftragte des Landes Brandenburg habe ich diesen Prozess begleitet und unterstützt. Aus der Beratung politisch Verfolgter wissen wir, wie wichtig es für sie ist, das ihnen angetane Unrecht öffentlich zu benennen. Die Hoffnung, dass sich die Kirche dem stellen würde, hatten sie schon aufgegeben. Umso bedeutsamer und entlastender war dieser wichtige Prozess. Ein Betroffener fasste es in die Worte, „Dass ich das noch erleben darf, dass mich mein Bischof, meine Kirche anhört!“

Kirchenleitung verpflichtet sich der Aufarbeitung

In ihrer Erklärung verpflichtet sich die Kirchenleitung, die Aufarbeitung der Geschichte vor 1989 über den konkreten Fall der MfS-Tätigkeit von Giebeler hinaus fortzuführen. Ja, dem stimme ich ausdrücklich zu. Da stellen sich Fragen, wie kirchliche Amtsträger sich für staatliche Interessen vereinnahmen ließen, wie mit Ausreiseantragstellern umgegangen wurde, für ausreisende Pfarrer Ordinationsrechte infrage standen oder wie mit offener Jugendarbeit in der Kirche umgegangen wurde.