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Rede von Gesine Schwan: Jüdische Gäste verlassen den Raum

Seit 75 Jahren setzt sich die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Berlin für Verständigung ein. Auf dem Jubiläumsfest kam es jedoch zu einem Zwischenfall.

Die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit (GCJZ) engagiert sich seit 1949 für den interreligiösen Dialog
Die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit (GCJZ) engagiert sich seit 1949 für den interreligiösen DialogImago / robertharding

Vor 75 Jahren gründeten sich in Deutschland die ersten Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit (GCJZ). Sie wurden mit Unterstützung von US-amerikanischen Behörden aufgrund von christlich-jüdischen Dialogerfahrungen in ihrem Land auf den Weg gebracht. Dieser Weg war nach der ­Shoa ein schwieriger in der deutschen Gesellschaft. Heute sind es über 80 lokale Gesellschaften. Sie standen im Schatten der Vergangenheit. Aufarbeitung und Zeitzeugenarbeiten waren und sind wichtige Elemente der Arbeit der GCJZ.

Die Berliner GCJZ wurde am 24. November 1949 gegründet. ­Seitdem bemüht sie sich, das ­Verständnis, die Zusammenarbeit und den religiösen ­Dialog zwischen Juden und Christen zu fördern. Wir sind froh und dankbar über das vielfältige jüdische ­Leben in Berlin und in ganz Deutschland. In den vergangenen Jahren ist der ­interreligiöse Dialog besonders mit Vertretern des Islam dazu gekommen.

Berliner GCJZ: Kampf gegen Antisemitismus

Als GCJZ treten wir ein gegen ­jede Form von Antisemitismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Wir setzen uns ein für den Erhalt und die Weiterentwicklung einer starken Demokratie.

 

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Dies wurde besonders deutlich in der jährlichen „Woche der Brüderlichkeit“. Die erste Berliner „Woche der Brüderlichkeit“ fand 1952 im Rathaus Schöneberg in Westberlin statt. Seit 2024 wird sie als „Jahr der Christlich-jüdischen ­Zusammenarbeit“ weitergeführt.

Aktuelles Motto der GCJZ: „Let’s Talk“

Die Festschrift zum 50. Geburtstag der GCJZ stand unter dem Titel „Im Gespräch“. Die aktuelle Festschrift steht unter dem Titel: „Let’s Talk“. Das Gespräch, die Kommunikation haben die Arbeit und die Entwicklung der GCJZ geprägt. Sie sind ­notwendiger denn je, besonders in der gegenwärtigen Situation mit wachsendem Antisemitismus.

Der Dialog als wichtige Säule zeigte sich auch in der Festveranstaltung am 1. Dezember, an der viele jüdische Mitglieder teilnahmen. Der evangelische Vorsitzende der GCJZ in Berlin, Reinhard ­Naumann, sprach ihnen seine ­persön­liche Wertschätzung aus. Er ­bekräftigte seine ausdrückliche ­Anerkennung ihrer Bereitschaft zur so wichtigen Dialogarbeit, ohne die unsere GCJZ nicht existieren ­könnte.

Reinhard Naumann dankte den Rabbinern Professor Andreas ­Nachama, Jonah Sievers und David Roberts sowie den Kuratoriumsmitgliedern Gideon Joffe, Vor­sitzender der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Heinz Rotholz und ­Claudio Offenberg und unseren ­beiden jüdischen Vorstandsmitgliedern Beatrice Loeb und Jessica Schmidt-Weil. Auf der Festveranstaltung konnten wir des Weiteren Vertreterinnen und Vertreter aus dem Bundestag, aus den Ländern Berlin und Brandenburg, den ­Kirchen und aus der muslimischen Welt begrüßen.

Festrede: Kritik am Vorgehen der israelischen Regierung spaltet

Die Festrede von Professorin Gesine Schwan unter dem Thema „Verständigung in herausfordernden Zeiten“ würdigte die Arbeit der GCJZ im historischen Kontext und in der Gegenwart. Ihre Bezugnahme auf den 7. Oktober 2023 und ausdrückliche Kritik am Vorgehen
der israelischen Regierung seitdem führten aber dazu, dass wichtige ­jüdische Vertreter den Saal ver­ließen.

In dem sich anschließenden ­Gespräch im Podium mit Rabbiner Andreas Nachama und Karlies Abmeier, Vorsitzende des Diözes­an­rates der Katholiken im Erzbistum Berlin, kritisierte Bischof Christian Stäblein die Festrede nachdrücklich. Die Gesprächsrunde wurde ­abgebrochen und eine Diskussion zu einem späteren Zeitpunkt angeregt.

Kritik an „fehlender Balance“ in der Rede

Beim Empfang waren Reaktionen von „Desaster/Schande“ bis Zustimmung breit gefächert. Es ­bestand bei allen unterschiedlichen Bewertungen überwiegend der ­Eindruck, dass die Balance fehle, wenn einerseits der israelische ­Ministerpräsident kritisiert wird und andererseits die schlimme ­Situation jüdischer Studierender an den Hochschulen keinerlei ­Er­wähnung findet.

Die dann folgende Vorstellung eines Geburtstagsfilmes und der ­aktuellen Festschrift nahmen wieder Bezug auf das 75. Jubiläum. Wir danken allen Mitgliedern und Interessierten an unserer ­Arbeit für ­ihre Verbundenheit. Janette Wolff, die Namensgeberin unserer seit 2019 verliehenen ­Medaille sagt: „Wir wollen hoffen, dass unsere ­Arbeit von Gott gesegnet und von den Menschen verstanden wird.“

Bernd Streich ist katholischer Vorsitzender der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit in Berlin.