FPÖ und ÖVP könnten noch im Februar eine neue Regierung bilden – doch das Misstrauen zwischen den Partnern ist groß. Hochrangige Politiker warnen unterdessen vor einer Gefahr für Österreich.
In Deutschland und Österreich sorgte zu Wochenbeginn eine Parteispende an die AfD für Aufsehen: 2,4 Millionen Euro – in Form einer Sachspende – soll ein ehemaliger Funktionär der FPÖ an die in Teilen rechtsextreme deutsche Schwesterpartei gespendet haben. Beobachter sind überzeugt, dass die FPÖ und die konservative ÖVP noch im Februar Österreichs neue Regierung bilden werden. Die Koalitionsgespräche laufen auf Hochtouren. Unterdessen raten Beobachter Wählern und Politikern in Deutschland, den Blick Richtung Süden zu richten: Hier spiele sich ein Zukunftsszenario ab, das auch der Bundesrepublik bevorstehen könnte.
Am Mittwoch ist der Stichtag. Sollte in Wien bis dahin keine neue Regierung stehen, ist die aktuelle Regierungsbildung die bisher längste seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Das lange Ringen um eine Verwaltung folgt dem Scheitern der Gespräche zwischen ÖVP, SPÖ und den wirtschaftsliberalen NEOS. Deren geplante “Brandmauer gegen rechts” war kurz nach Jahresbeginn gescheitert.
Eine weitaus größere Schnittmenge sehen Experten bei FPÖ und ÖVP; etwa beim Thema Asyl und Zuwanderung. Allerdings haben beide Seiten laut Insidern ein Vertrauensproblem. “Keine Seite traut der anderen über den Weg. Hinter jeder öffentlichen Äußerung wird Verhandlungstaktik vermutet”, berichtete am Wochenende die Wiener Zeitung “Der Standard”. Und wirft die Frage auf: “Kann das überhaupt noch klappen?”
Mit FPÖ-Chef Herbert Kickl könnte Österreich bald seinen ersten rechten Regierungschef seit Wiederherstellung der Demokratie bekommen. Schon jetzt sorgt dieser mit seiner Auffassung von Rechtsstaatlichkeit für Aufsehen. So will die FPÖ etwa die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunksenders ORF massiv einschränken. Gefördert werden sollten künftig auch parteinahe Medien: im Fall der FPÖ etwa ein ganzes Medienimperium, dessen Sender und Websites häufig durch rechtsnationale Inhalte und Interviews mit Rechtsradikalen für Aufsehen sorgen.
Daneben ist selbst vielen ÖVP-Funktionären das nahe Verhältnis der FPÖ zu Russland ein Dorn im Auge. Während die bisherige Bundesregierung aus ÖVP und Grünen die Sanktionen gegen Moskau unterstützte, droht unter Kickl eine außenpolitische Zeitenwende. Einen Vorgeschmack lieferte die FPÖ bereits im Parlament. Dort trat nach der Wahl im September FPÖ-Mann Walter Rosenkranz das Amt des Nationalratspräsidenten an. Als ersten internationalen Gast empfing er – Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orban.
Beispiellos ist auch der Widerstand von Vertretern des Judentums, der sich schon jetzt gegen FPÖ-Mitregierende formiert. Im November hatten jüdische Studierende Nationalratspräsident Rosenkranz in Wien die Teilnahme an einem Gedenken an die Opfer des Holocaust verweigert. Und Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), erklärte anlässlich einer Auszeichnung im Bundeskanzleramt: Mit Aussicht auf eine Kickl-Kanzlerschaft könnte dies sein letzter Besuch sein, “zumindest für die nächsten Jahre”.
Derzeit droht eine Koalition noch an den Forderungen der FPÖ zu scheitern. Dazu gehöre neben einer Bankenabgabe, um das Budgetloch zu stopfen, auch eine “ehrliche Analyse der Fehlentscheidungen der Corona-Zeit”, so Kickl. Der FPÖ-Vorsitzende war einer der lautstärksten Gegner der staatlichen Covid-19-Maßnahmen. Mit einer Untersuchung droht er, den möglichen Regierungspartner ÖVP bloßzustellen.
Eine “Gefahr” für Österreich sieht eine Gruppe ehemaliger ranghoher Politiker, die am Freitag Alternativen zu einer FPÖ-Regierung forderte. Etwa solle eine Expertenregierung die Tagespolitik so lange übernehmen, bis die politische Mitte wieder zusammenfinde. “Wir wollen weiter eine offene Gesellschaft und keine illiberale Demokratie”, erklärte Ex-Präsident Heinz Fischer. Auch wolle man freie Medien und “keine Retropolitik”, was die Rolle der Frauen betrifft.
Zurück an den Verhandlungstisch, forderte auch der bisherige Koalitionspartner der ÖVP, die Grünen: Die “konstruktiven Kräfte” müssten die Gespräche wieder aufnehmen, um einen FPÖ-Kanzler zu verhindern. Vonseiten der SPÖ und den NEOS zeigt man sich offen für erneute Verhandlungen. Wenig begeistert ist die ÖVP. Sollten die Gespräche mit der FPÖ in den kommenden Tagen scheitern, würde Österreich also auf Neuwahlen zusteuern.