Schockanrufe bringen Betrügern viel Geld ein. Die Betrugsmaschen sind alt, funktionieren aber immer noch hervorragend. Warum, weiß Polizist Michael Lui aus dem Team der Beratung und Prävention des Polizeipräsidiums Trier. Er schult Bankmitarbeitende und gibt Menschen in Seniorenheimen und Krankenhäusern Tipps, wie sie sich schützen können. Im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) erklärt er, warum jeder Opfer werden kann, warum es nichts bringt, die eigene Nummer aus dem Telefonbuch zu entfernen – und was gegen Betrugsversuche hilft.
KNA: Herr Lui, die klassischen Betrugsanrufe sind bekannt, funktionieren aber trotzdem. Wie kann das sein?
Michael Lui: Die meisten Menschen denken: Mir kann das nicht passieren. Das ist ein großer Fehler. Wer so denkt, verhält sich, wenn es drauf ankommt, in der Regel immer falsch. Man glaubt es kaum, aber der Callcenter-Betrug, bei dem Anrufer Menschen am Telefon betrügen, hat Hochkonjunktur. Die Drahtzieher sitzen im Ausland, Täter zu finden ist schwierig. Und die Anrufer werden immer dreister.
KNA: Welche Entwicklungen befürchten Sie, wenn Betrüger auch noch Künstliche Intelligenz nutzen?
Lui: Der Betrug kann dann noch viel authentischer rübergebracht werden. Bis jetzt wurde Betrug mit Unterstützung von Künstlicher Intelligenz bei uns noch nicht angezeigt und ist auch beim Landeskriminalamt bisher untergeordnet. Das wird aber kommen. Die Betrüger passen sich an, sind kreativ, geschult. Der Enkeltrick-Anruf wird heute modifiziert, es ruft angeblich die Botschaft aus dem Ausland, der Gerichtsvollzieher oder die Staatsanwaltschaft an, weil der Enkel einen Unfall gebaut hat, im Gefängnis sitzt und eine Kaution bezahlt werden muss.
KNA: Bei wem funktioniert das?
Lui: Jeder kann Opfer werden. Manchmal heißt es in der Öffentlichkeit, wie kann man nur so blöd sein. Es geht aber nicht um Intelligenz oder Bildung. Wir begleiten Opfer aus allen gesellschaftlichen Bereichen. Die Leute werden nicht auf der Sachebene angesprochen, sondern auf der Gefühlsebene. Die Betrüger sind eloquent und geschickt, reagieren auf jedes Stichwort, stellen Fragen. Wenn dann noch eine Stimme im Hintergrund schreit oder weint, setzt das Menschen unter Druck.
Glücksspiel-Anrufe funktionieren anders, aber auch da werden Menschen geschickt umgarnt und eingelullt. Wir hatten hier eine Ärztin, die Zehntausende Euro bezahlt hat, um an einen angeblichen Gewinn zu kommen. Das glaubt man erst kaum, aber wenn man sich Mitschnitte von Anrufen anhört, kann man nachvollziehen, wie geschickt die Täter vorgehen. Die Opfer reden sich um Kopf und Kragen. Jedes Wort zu den Betrügern ist eins zu viel und gibt denen ein neues Stichwort.
KNA: Wen suchen sich Täter als Opfer?
Lui: Die idealen Opfer aus Sicht der Betrüger sind Senioren. Sie haben oft einen Festnetzanschluss und melden sich in der Regel mit ihrem vollständigen Namen. Außerdem legen sie auch dann nicht auf, wenn ihnen etwas komisch vorkommt.
KNA: Sie gehen in Altenheime, Seniorentreffs, Krankenhäuser und beraten Menschen, wie sie sich schützen können. Welche Tipps haben Sie?
Lui: Der wichtigste Tipp: Man sollte ein gesundes Misstrauen ausbilden, das berühmte Bauchgefühl. Sonst hat man schnell verloren. Wenn es um Geld geht, ist häufig Betrug im Spiel.
Ansonsten helfen schon kleine Dinge. Bevor man einen Anruf annimmt, sollte man die Nummer im Display anschauen. Wenn die Vorwahl aus dem Ausland kommt oder aus einer Stadt, zu der man keinen Bezug hat, ist Vorsicht geboten. Auflegen, wenn einem während des Gesprächs etwas komisch vorkommt. Kein Gericht und keine Behörde wird über das Telefon Geld fordern.
Im Zweifel sollte man einer unbeteiligten Person von dem Anruf erzählen und nach ihrer Meinung fragen. Es kann auch helfen, in der Familie regelmäßig über das Thema zu sprechen und Codewörter zu vereinbaren – für den Fall, dass jemand wirklich mal einen Unfall hat. Und niemals Geld, Goldbarren, Schmuck übergeben.
KNA: Trotzdem rücken Menschen Geld raus. Sie schulen auch Bankmitarbeitende. Hilft das gegen Betrüger?
Lui: Als Polizei werden wir immer häufiger von Banken in möglichen Betrugsfällen angerufen. Dadurch konnten wir schon viele Betrugsfälle stoppen. Die Bankmitarbeiter achten beispielsweise darauf, ob jemand sehr nervös ist oder ungewöhnlich viel Bargeld abheben will – und fragen dann nach. Trotzdem muss man leider sagen, dass wir von vielen Betrugsfällen nichts wissen und die Dunkelziffer wahrscheinlich sehr hoch ist. Vielen Opfern ist das peinlich und das Thema sehr schambehaftet.
KNA: Hilft es, die Nummer aus dem Telefonbuch herauszunehmen?