Der Nahost-Krieg zieht auch Jordanien in Mitleidenschaft. Trotzdem kann der Botschafter des Papstes, Erzbischof Dal Toso, auf konkrete “Zeichen der Hoffnung” verweisen – nicht nur, weil Weihnachten vor der Tür steht.
Giovanni Pietro Dal Toso (59), aus Südtirol stammender Erzbischof, blickt auf eine lange Karriere an der römischen Kurie. Vor einem Jahr schickte Papst Franziskus ihn als Botschafter nach Jordanien. Im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) äußert sich Dal Toso zu den Auswirkungen des Nahost-Krieges auf Jordanien, zur Rolle der dortigen Kirche und zur päpstlichen Nahost-Diplomatie.
KNA: Erzbischof Dal Toso, Sie sind seit knapp einem Jahr Botschafter des Papstes in Jordanien und auf Zypern. Wie sehr betrifft die Eskalation der Gewalt im Gazastreifen, aber auch die Lage im Westjordanland das Königreich – und den Nuntius in Amman?
Erzbischof Giovanni Pietro Dal Toso: Die Tatsache, dass der Heilige Stuhl einen Nuntius vor Ort gewollt hat, zeigt einerseits das Interesse des Vatikans für das Königreich Jordanien, andererseits die wachsende Bedeutung dieses Landes in der Region. Selbstverständlich spielt auch die Nähe zu Israel, zu Palästina und zu Jerusalem eine bedeutende Rolle: in Jordanien haben sich zuerst 1948, dann 1967 und auch in späteren Jahren viele Palästinenser angesiedelt. Das hat nicht zuletzt das Gesicht der katholischen Kirche in diesem Land beeinflusst. Als Beispiel nenne ich, dass das Terra-Sancta-College der Franziskaner 1948 hier in Amman mit einer Gruppe von Studenten aus Jerusalem angefangen hat.
Zu bedenken ist darüber hinaus, dass das haschemitische Herrscherhaus als Hüter der muslimischen heiligen Stätten in Jerusalem anerkannt ist. Es ist vor allem aber eine Frage der persönlichen, familiären – auch im Sinne einer Großfamilie – Beziehungen, die die Leute diesseits und jenseits des Jordans verbindet. Somit versteht man gleich, dass die Lage in Gaza, im Westjordanland und in Israel auf eine besondere Sensibilität in Jordanien stößt.
KNA: Welchen Beitrag leistet der Nuntius – und generell die vatikanische Diplomatie in dieser Situation?
Dal Toso: In erster Linie ist es meine Aufgabe, die Stimme des Papstes und den Standpunkt des Heiligen Stuhls im Allgemeinen deutlich und bekannt zu machen. Die unterschiedliche Sprache und die geographische Entfernung können nämlich manchmal ein Hindernis sein, und so ist es Aufgabe des Nuntius, bei der Regierung, bei der Ortskirche und in der Öffentlichkeit, den Schrei nach Frieden und Respekt vor der Würde des Menschen, der aus dem Vatikan kommt, auch hier hörbar machen.
Dabei muss besonders aufmerksam beachtet werden, dass eine politische Auseinandersetzung keine religiöse ist, sondern dass im Gegensatz dazu der Dialog zwischen den Religionen dem Frieden dienen kann. Eine weitere wichtige Aufgabe ist auch, täglich zu beobachten, welche Folgen die dortige Krise in den verschiedenen Bereichen dieses Landes hat. Dazu dient außerdem der Austausch mit anderen Botschaftern.
KNA: Welche Botschaft vermitteln Sie? Wie bringen Sie die Anliegen des Papstes und seiner Diplomatie ein?
Dal Toso: Selbstverständlich betreibt ein Nuntius nicht seine eigene Diplomatie, sondern vermittelt die Botschaft, die der Papst und seine engsten Mitarbeiter im Staatssekretariat durch ihre öffentlichen Stellungnahmen zum Ausdruck bringen. In der gegenwärtigen Situation versuche ich die Position des Heiligen Stuhls in folgenden Punkten zusammenzufassen: Verurteilung und Ende der Gewalt, also auch des Krieges, denn Gewalt bringt neue Gewalt hervor; Befreiung aller Geiseln; Gewährleistung der humanitären Hilfe unter Beachtung des humanitären Rechts; Aufnahme politischer Verhandlungen, um zu einer Zwei-Staaten-Lösung zu kommen mit einem Sonderstatus für Jerusalem.
KNA: Welches Standing haben die Christen, hat insbesondere die katholische Kirche in der jordanischen Gesellschaft?
Dal Toso: Hier in Jordanien sind Christen verschiedener Konfessionen und Riten präsent. Sie gehören seit eh und je zur hiesigen Gesellschaft, sie sind hier kein Fremdkörper. Im Westen hat man manchmal den Eindruck, die Christen wären ein Sonderfall im Nahen Osten, eine eigene Gruppe in einem fremden Land. Dem ist nicht so: die Mehrheit der Christen sind Araber wie alle anderen und teilen das Leben der anderen.
Selbstverständlich gibt es verschiedene Inhalte in der Religion und Akzente im Lebensstil, aber das Gemeinsame ist vorherrschend. Es stimmt, dass die Anzahl der Christen prozentmäßig klein ist und weiter abnimmt; dennoch sind diese sozial sehr aktiv und tragen zum Aufbau der Gesellschaft bei. Dies wird auch vom Königshaus anerkannt, das dieses religiöse Miteinander sehr fördert. Ich möchte in diesem Zusammenhang an die besondere Rolle der katholischen Schulen hier wie in anderen Ländern erinnern.
KNA: Wie feiern die Christen in Jordanien in diesem Jahr Weihnachten? Für Sie ist es ja das erste Christfest im Land. Und: Kann man in dieser Situation überhaupt feiern?
Dal Toso: Die politische und soziale Lage in Jordanien ist grundsätzlich ruhig und der Alltag verläuft wie üblich, obwohl hier und da ein gewisses Missbehagen spürbar ist. So hat man zwar eine deutliche Abnahme an der Zahl von Touristen gesehen, aber Gruppen und Privatpersonen kommen immer noch.
Die Feier von Weihnachten leidet natürlich an den Folgen des Krieges. Die Bischöfe haben deshalb eingeladen, die äußeren Feiern eher in Grenzen zu halten. So wurden zum Beispiel alle Weihnachtsmärkte abgesagt. Dies ist auch verständlich, wenn man eben an die Tragödie denkt, die sich nur wenige hundert Kilometer von hier abspielt. Trotzdem, oder vielleicht gerade deswegen, sollen wir uns aber auf Weihnachten freuen: Mitten in den Leiden dieser Welt, mitten im Dunkel und in der Sünde, werden uns Hoffnung, Licht, Erlösung zuteil. Wie es im Weihnachtslied heißt: Christ der Retter ist da!
KNA: Sie sind seit knapp einem Jahr als Nuntius in Jordanien auf Posten. Was sind Ihre Aufgaben, was ihre besonderen Herausforderungen?
Dal Toso: Ich sehe mich und meine Aufgabe als Brücke: zwischen Ortskirche und Universalkirche; zwischen diesem Land und dem Vatikan. Gegenseitige Kenntnis, gegenseitige Zusammenarbeit, gegenseitiges Stärken in der Suche nach Wahrheit und Frieden. Mir ist es ein Anliegen, dass die Christen hier die Nähe ihrer Brüder und Schwestern im Glauben in der ganzen Welt spüren. Darüber hinaus birgt dieses Land einen bedeutenden Schatz für uns Christen, denn es ist heiliges Land mit vielen Orten der Heilsgeschichte, Orten, an denen auch Jesus war. Speziell denke ich an Bethanien, den Ort der Taufe Jesu, der ein Ort der Tauferneuerung für jeden Christen sein kann. Dieser Aspekt Jordaniens fasziniert mich sehr, und es wird auch viel getan, um ihn zu fördern. Es ist eine Möglichkeit für uns Christen, zu den Ursprüngen unseres Glaubens zurückzufinden, die ja hier liegen. Jordanien ist ein biblisches Land.