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Pädagogin sieht Trend zum Leben in weltanschaulichen Filterblasen

Immer mehr Menschen leben nach Einschätzung von Pädagogin Sarah Pohl in weltanschaulichen Filterblasen. Als Treiber habe besonders die Corona-Pandemie gewirkt, sagte sie am Dienstag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Berlin. Pohl leitet die Zentrale Beratungsstelle für Weltanschauungsfragen (ZEBRA) in Baden-Württemberg.

Laut Studien und auch nach ihrer eigenen Erfahrung im Beratungsbereich hätten mittlerweile rund 30 Prozent der Bevölkerung “eine Affinität” zu einem solchen Paralleluniversum, sagte sie. Wie viele sich davon tatsächlich radikalisiert hätten, sei seit der Corona-Pandemie noch nicht quantifiziert.

Weltanschauliche Filterblasen entstünden, “wenn Gruppierungen sich abwenden von gesamtgesellschaftlichen Werten, Feindbilder gepflegt werden und eine wertschätzende Kommunikation zwischen den Welten fehlt”, hieß es weiter. Dabei nehme auch die Rigidität zu, in welcher die eigene Überzeugung gelebt wird. Diese Menschen seien dann nur noch schwer erreichbar, so Pohl, die jetzt gemeinsam mit der Theologin Mirijam Wiedemann das Buch “Zwischen den Welten: Filterblasenkinder verstehen und unterstützen” herausgegeben hat.

Grundsätzlich machten Krisen wie Corona, Klimawandel, Ukraine-Krieg oder Rezession “anfälliger für einfache Lösungen. Hier haben Anbieter Konjunktur, die Schwarz-Weiss-Antworten liefern”, sagte sie. Hinzu komme, dass Glaubensüberzeugungen grundsätzlich “die Welt verstehbarer machen” könnten. “Sie können auch Geborgenheit geben.”

Als weitere Ursache für die zunehmende Neigung für extreme Ansichten nannte die Beraterin die “Multioptionalität” der Gesellschaft. “Wenn es zu viel Auswahl gibt, fühlen die Menschen sich überfordert und suchen sich lieber was kleines, enges, um sich zu entlasten.” Das Internet beschleunige diesen Prozess, weil es als “Echokammer” diene, die Möglichkeit zur schnellen Vernetzung biete und Werbung ermögliche.

Bei den Filterblasen, in die sich die Menschen zurückzögen, handele es sich anders als noch vor 30 Jahren, um eine “sehr fluide heterogene Mischung”, sagte Pohl. “Es gibt viele verschiedene Gruppierungen und vieles, was neu entsteht.” So wüchsen etwa Gruppen im evangelikalen Bereich stark an. Es gebe Kinder, die in extrem esoterischen Elternhäusern groß würden, muslimische Gruppierungen und auch extreme katholische Gruppierungen, etwa “aus dem Erneuerungsbereich”.