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Orthodoxe in der Ukraine sehen Papst Leo XIV. als Freund

Russland und die Ukraine verhandeln inzwischen in Istanbul – zeitweilig war der Vatikan als Ort im Gespräch. Das hätte viele Befürworter gefunden – zumindest in einem der beiden Länder.

Der Vatikan ist als Ort von Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine zwar so gut wie ausgeschlossen – das zeigten deutliche Signale aus Moskau in der vergangenen Woche. Doch die christlichen Kirchen in der Ukraine – auch die orthodoxen – haben großes Vertrauen zum neuen Papst Leo XIV., der sich als Vermittler angeboten hat. Zumal der christliche Glaube in dem angegriffenen Land derzeit eine spürbare Renaissance erlebt.

“Gerade jetzt im Krieg glauben die Menschen mehr als in Friedenszeiten und beten mehr”, berichtet Nelya Pavelko aus Kiew. Die Lehrerin für Gitarre, Geige und Klavier ist gläubige orthodoxe Christin. “Es wird viel gebetet in dieser Zeit”, sagt sie der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). “Wenn man Drohnen hört, beten wir, wenn wir an unsere Angehörigen an der Front denken, beten wir, und wenn wir auf einen Waffenstillstand hoffen, beten wir.”

Gerne erwähnt Viktor Marintschak, Pfarrer der Johannis-Kirche in Charkiw, die gute Zusammenarbeit mit anderen Kirchen. “Nur mit einer Kirche wollen wir nicht zusammenarbeiten: der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche, UOK – Moskauer Patriarchat”, erklärt der Aktivist der Maidan-Bewegung der KNA.

Lange hatte die UOK in der Ukraine sozusagen das Monopol auf den orthodoxen Glauben. Seit Dezember 2018 gibt es aber nun zwei große orthodoxe Kirchen: die UOK und die dezidiert nationale Orthodoxe Kirche der Ukraine (OKU), der auch Pfarrer Marintschak angehört. Letztere ging wesentlich aus dem Kiewer Patriarchat der ukrainisch-orthodoxen Kirche hervor, das schon Anfang der 90er Jahre mit Moskau gebrochen hatte. Die Vorbehalte gegenüber der UOK und deren langjähriger Verbindung mit der russisch-orthodoxen Kirche haben also längere Tradition.

Nach dem Kriegsbeginn am 24. Februar 2022 verurteilte die UOK den russischen Angriff und leitete die Trennung vom Moskauer Patriarchat ein. Im Mai 2022 wurde sie durch ein Landeskonzil in Kiew offiziell vollzogen. Die ukrainische Regierung zweifelt allerdings weiterhin, dass sich die UOK ganz von Moskau getrennt hat; unter anderem wurden Geistliche der Kirche auch wegen angeblicher Kollaboration mit den russischen Angreifern verurteilt. Gegenüber der KNA betonte der Pressesprecher der Diözese Odessa, Erzpriester Maximian Pogorelowski, nun erneut die Unabhängigkeit vom Moskauer Patriarchen und Putin-Vertrauten Kyrill I.

Er würde Friedensverhandlungen im Vatikan begrüßen, erklärt Pfarrer Marintschak im Garten seiner Kirche, in dem inmitten von Blumen und Wiese ein Kinderspielplatz steht. Und da sei er sich sicher, dass dies auch von der breiten Mehrheit der OKU so gesehen werde. Nun hoffe man dort, dass Leo XIV. zumindest indirekt als Vermittler auf die Entwicklung einwirken kann. Marintschak erinnert an die Rolle von Papst Johannes XXIII. bei der Bewältigung der Kuba-Krise 1962. Außerdem habe Leo XIV. mutig US-Präsident Donald Trump und seinen Stellvertreter JD Vance kritisiert. “Deshalb würde seine Vermittlung sicherlich anders verlaufen als die, die uns Trump anbietet, der tatsächlich auf der Seite unseres Gegners steht”, ist der Geistliche überzeugt.

Mitten auf dem belebten Poltawskij Schljach, den Autofahrer wegen seiner Breite und dem seit Kriegsbeginn relativ geringen Verkehrsaufkommen gerne mit einer Rennstrecke verwechseln, steht die länglich gebaute weiß gestrichene griechisch-katholische Kirche. Hier ist der Sitz von Ihor Isichenko, emeritierter Erzbischof von Charkow. Er ist die geistliche Autorität in einer Diözese, die von den umkämpften Städten Isjum und Kupjansk bis nach Schostka an der russischen Grenze reicht. Die Kirche ist ein Ort der Ruhe, der Straßenlärm ist hier nicht zu hören.

Die Mehrheit der überwiegend orthodoxen ukrainischen Bevölkerung, da ist sich Ihor Isichenko sicher, würde eine Vermittlung des Vatikans gutheißen. Allerdings sei angesichts des ausgeprägten Antikatholizismus und der antiwestlichen Haltung der russischen Führung eine Vermittlungsmission von Papst Leo XIV. wenig wahrscheinlich. “Aus russischer Sicht verkörpert der Heilige Stuhl – entgegen aller historischen Logik – das Feindbild des Westens in seiner Gesamtheit.” Genauso klang es bereits in der vergangenen Woche: “Der Vatikan wird aus einer Reihe von Gründen, einschließlich der Logistik, definitiv nicht zum Ort des Treffens werden”, zitierte die staatliche Nachrichtenagentur Tass eine nicht näher benannte Quelle.

Aber auch in der UOK unterstütze man eine Vermittlung des Vatikans, so Maximian Pogorelowski. “Christus hat uns gesagt: ‘Friede sei mit euch.’ Eigentlich müsste jede Kirche pazifistisch sein. Wenn also im Vatikan oder auf einem anderen Territorium der Christenheit Friedensverhandlungen geführt werden, ist das immer gut.”

Insbesondere sei die Atmosphäre, die im Vatikan herrsche, Friedensverhandlungen förderlich. “Wir haben großen Respekt vor dem Papst. Gerade in diesen Zeiten, in denen in der Ukraine orthodoxe Christen unterdrückt werden, ist die katholische Kirche, ist der Vorgänger des jetzigen Papstes, für unsere Kirche eingetreten. Wir hoffen, dass Papst Leo XIV. den Weg von Papst Franziskus fortsetzt und dass er dazu beiträgt, unser Land zu einem Ort zu machen, in dem jeder Mensch in die Kirche gehen kann, zu der er sich hingezogen fühlt.”