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Neuer Weg für Christen und Juden

Die Israelin Karma Ben Johanan erhält die neu eingerichtete Stiftungsprofessur für Geschichte und Gegenwart des christlich-jüdischen Verhältnisses an der Humboldt-Universität

Die Israelin Karma Ben Johanan erhält die neu eingerichtete Stiftungsprofessur für Geschichte und Gegenwart des christlich-jüdischen Verhältnisses an der Humboldt-Universität

Von Christoph Markschies

Das Lachen steckt an. Das ist der erste Eindruck, den man von Karma Ben Johanan gewinnen kann, der neuen Stiftungsprofessorin für Geschichte und Gegenwart des christlich-jüdischen Verhältnisses an der Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin. Dieses ansteckende Lachen charakterisiert die junge Israelin und zugleich eine sehr präzise, wohlüberlegte Art zu argumentieren und zu planen. Vermutlich braucht man solche Talente, wenn man über das alltägliche Chaos im Nahen Osten nicht verzweifeln, sondern den Humor behalten und ein paar der selbstgesteckten Ziele auch realisieren will. Aber nicht nur, wenn man in Berlin U-Bahn fährt und der halbe Wagen hebräisch spricht, kann man den Eindruck bekommen, dass die deutsche Hauptstadt eigentlich ein Vorort von Tel Aviv ist – Gott sei Dank, nach einer so schrecklichen Geschichte. Auch in Berlin kann man Humor und präzises, wohlüberlegtes Agieren gut gebrauchen.Vor fast drei Jahren kündigte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, anlässlich des Reformationsjubiläums die Einrichtung einer Stiftungsprofessur an – war doch im Laufe der Reformationsdekade vielen deutlich geworden, dass antijüdisches Erbe und antisemitische Vergangenheit nicht nur Schriften einzelner Reformatoren wie Martin Luther prägten, sondern tief in der Theologie, Liturgie und im Leben der evangelischen Kirchen stecken, teilweise bis auf den heutigen Tag. So entstand die Idee, eine Stiftungsprofessur für Geschichte und Gegenwart des christlich-jüdischen Verhältnisses solle nicht nur diese schwierige Vergangenheit mit aufhellen helfen, sondern Beiträge zur Erneuerung der reformatorischen Theologie jenseits von antijüdischen Stereotypen leisten. Viele Landeskirchen, natürlich auch die EKBO, gaben Beiträge, dazu die VolkswagenStiftung und der Stifterverband. Bund und Land werden die Professur nach dem Ablauf des Förderzeitraums auf Dauer stellen – und es gelang, sie an der Humboldt-Universität und näher am Institut Kirche und Judentum anzusiedeln, einem Werk der EKBO an der Evangelisch-theologischen Fakultät. Das universitäre Auswahlverfahren entschied für sich souverän Karma Ben Johanan, die in Tel Aviv Geschichte und Religionswissenschaften studiert und dort auch promoviert hat. Vor der Berufung nach Berlin leitete sie an einer Nachwuchsakademie eines renommierten Forschungsinstituts in Jerusalem eine Nachwuchsgruppe; gegenwärtig bereitet sie sich mit Mann und Kindern auf den Umzug nach Berlin vor, der im nächsten Jahr erfolgen wird. Karma Ben Johanan beschäftigt sich beispielsweise mit einem oft übersehenen Aspekt des christlich-jüdischen Verhältnisses, nämlich den Beziehungen zwischen orthodoxen, eher Christentums-kritischen jüdischen Gruppen und dem Christentum. Auch hier, wo explizite Beziehungen schwierig bis unmöglich erscheinen, gibt es in Wahrheit viel Wechselwirkung.Die Stiftungsprofessur soll nicht nur für Berliner Studierende Angebote machen – und somit auch für künftige Pfarrerinnen und Pfarrer der EKBO, dazu für künftig an den Schulen Religion unterrichtende Menschen –, sondern wie das ganze Institut Kirche und Judentum in die Gemeinden der Landeskirche und die breitere Öffentlichkeit hineinwirken. Gerade die letzten Wochen und Monate haben wieder gezeigt, dass nach wie vor Informationsmangel herrscht und selbst in kirchlichen Kreisen groteske Vorurteile gepflegt werden. Natürlich muss sich Karma Ben Johanan erst einmal mit der neuen Situation vertraut machen und in Berlin ankommen. Aber es spricht viel dafür, dass man bald auch in Cottbus und Prenzlau, in Stadt und Land, ihr fröhliches ansteckendes Lachen und kluge Beiträge zu Geschichte und Gegenwart des christlich-jüdischen Verhältnisses hören wird.

Christoph Markschies ist Dekan der Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin, Professor für Antikes Christentum und Leiter des Instituts Kirche und Judentum an der Humboldt-Universität.