Mehr Todesfälle als Geburten. Dennoch steigt Deutschlands Bevölkerung auf Rekordwerte. Ursache ist die Zuwanderung.
Noch nie haben in Deutschland so viele Menschen gelebt wie im Jahr 2023. Ursache ist allerdings allein die Zuwanderung. Denn erneut übersteigt die Zahl der Todesfälle die Zahl der Geburten deutlich. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) nennt wichtige Daten und Fakten zur Bevölkerungsentwicklung. Sie stammen aus den Daten des Statistischen Bundesamtes vom Donnerstag sowie aus dem vergangenen Jahr.
Wie viele Menschen leben aktuell in Deutschland?
In Deutschland leben derzeit rund 84,7 Millionen Menschen – ein erneuter Rekordwert. Das sind gut 330.000 Personen mehr als zum Jahresende 2022, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag auf Basis erster Schätzungen in Wiesbaden mitteilte.
Wie lässt sich diese Zahl historisch einordnen?
Die Bevölkerungszahl Deutschlands hat über einen langen Zeitraum hinweg stetig zugenommen: Sie erhöhte sich von 41 Millionen im Jahr 1871 auf 56 Millionen um 1900 und weiter auf gut 69 Millionen 1939. Auf dem heutigen Gebiet Deutschlands lag die Bevölkerungszahl im Jahr 1952 zum ersten Mal bei mehr als 70 Millionen und 1991 zum ersten Mal bei mehr als 80 Millionen. In den drei Jahrzehnten seit der deutschen Vereinigung ist die Bevölkerung überwiegend leicht gewachsen, mit Ausnahme der Jahre 1998 sowie 2003 bis 2010 und 2020.
Was hat der Rekordwert mit der Zahl der Geburten und Sterbefälle zu tun?
Würde man nur Geburten und Sterbefälle einrechnen, würde Deutschland schon seit Anfang der 70er Jahre schrumpfen. Laut den vorliegenden Meldungen der Standesämter rechnet das Statistische Bundesamt für 2023 mit 680.000 bis 700.000 Geborenen (2022: 738.819). Die Zahl der Gestorbenen betrug mindestens 1,02 Millionen (2022: 1,07 Millionen). Daraus ergibt sich ein Geburtendefizit, also eine Differenz zwischen Geburten und Sterbefällen, von mindestens 320.000. Dies entspricht etwa dem Niveau des Vorjahres (minus 328.000) und ist deutlich höher als im gesamten Zeitraum von 1991 bis 2021. Insgesamt starben hierzulande in den vergangenen fünf Jahrzehnten mehr als 6,8 Millionen Menschen mehr, als zur Welt kamen.
Was ist dann die Ursache für das Bevölkerungswachstum?
Die Zuwanderung. 2023 war die Zahl der Einwanderer um 680.000 bis 710.000 Personen höher als die Zahl der Auswanderer. Die sogenannte Nettozuwanderung war zwar deutlich niedriger als in den Jahren mit besonders starker Fluchtmigration 2015 (plus 1,14 Millionen) und 2022 (plus 1,46 Millionen). Sie erreichte allerdings ein hohes Niveau und war vergleichbar nur mit den Jahren 1991 (plus 603.000) und 1992 (plus 782.000), als viele Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion sowie Kriegsflüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien nach Deutschland kamen.
Wie wirkt sich die Bevölkerungsentwicklung auf West- und Ostdeutschland aus?
Seit 2017 ziehen mehr Menschen aus dem Westen nach Ostdeutschland als umgekehrt. Damit hat sich der jahrelange Trend nach der Wiedervereinigung umgekehrt. 2022 wanderten rund 91.000 Bürger von West nach Ost und 90.000 in umgekehrter Richtung. Dennoch rechnen die Statistiker mit einem künftig deutlichen Bevölkerungsrückgang in Ostdeutschland. In den kommenden 20 Jahren werde die Zahl der 18- bis 64-Jährigen dort je nach Modell zwischen 8 und 16 Prozent sinken. Das entspricht 560.000 bis 1,2 Millionen Personen weniger. Für den Westen geht die Vorausberechnung von einem deutlich kleineren Rückgang zwischen 2 und maximal 11 Prozent aus. Entscheidender Faktor ist dabei die Zuwanderung von Migranten, die vor allem nach Westdeutschland kommen. So ist auch der Anteil der ausländischen Bevölkerung im Osten mit 7 Prozent (910.000) deutlich niedriger als im Westen mit 16 Prozent (10,6 Millionen).
Die Zahl der Sterbefälle hat 2023 leicht abgenommen. Wie verträgt sich das mit der alternden Gesellschaft?
2023 sind in Deutschland 1,02 Millionen Menschen gestorben – etwa 45.000 weniger als im Vorjahr. Wegen des zunehmenden Anteils älterer Menschen an der Bevölkerung wird seit mehr als 20 Jahren zwar mit einer jährlich steigenden Zahl der Sterbefälle gerechnet. Zugleich ist aber die Lebenserwartung tendenziell gestiegen. Der Effekt der steigenden Lebenserwartung schwächt damit den Alterungseffekt ab, so die Statistiker.
Was lässt sich denn über die Lebenserwartung sagen?
Die Lebenserwartung in Deutschland war zuletzt 2022 im dritten Jahr hintereinander gesunken. Bei Männern fiel sie von 78,7 auf 78,1 Jahre, bei Frauen von 83,5 auf 82,8, wie das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) im September mitteilte. Demnach verringerte sich die Lebenserwartung seit Ausbruch der Corona-Pandemie 2019 und durch schwere Grippewellen um mehr als ein halbes Jahr.
Insgesamt allerdings ist die Lebenserwartung seit 1871 ständig und deutlich gestiegen. Seit Ende der 2000er Jahre verlangsamte sich der Anstieg allerdings. In der Zeit von 1871/1881 betrug die durchschnittliche Lebenserwartung bei Geburt für Männer 35,6 Jahre und für Frauen 38,5 Jahre. Zu einem großen Teil ist das höhere durchschnittliche Lebensalter auf die starke Verringerung der Säuglingssterblichkeit zurückzuführen. Als weitere maßgebliche Gründe gelten der Fortschritt in der medizinischen Versorgung, Hygiene, Ernährung und Wohnsituation sowie verbesserte Arbeitsbedingungen und gestiegener materieller Wohlstand.