Im Herzen Berlins, nur wenige Gehminuten vom Bundeskanzleramt entfernt, soll künftig der Opfer des Zweiten Weltkriegs und der deutschen Besatzungsherrschaft in Polen gedacht werden. Eine erste Etappe ist geschafft.
“Polen hat nun heute Nacht zum ersten Mal auf unserem eigenen Territorium auch durch reguläre Soldaten geschossen. Seit 5 Uhr 45 wird jetzt zurückgeschossen! Und von jetzt ab wird Bombe mit Bombe vergolten! Wer mit Gift kämpft, wird mit Giftgas bekämpft.” So lautet eine Schlüsselpassage aus der Rede, die Adolf Hitler am 1. September 1939 vor dem Reichstag hielt. Mit dem Überfall auf Polen entfesselte Nazi-Deutschland den Zweiten Weltkrieg. Er sollte Abermillionen Tote fordern.
Besonders grausam wüteten die selbst ernannten Herrenmenschen in Polen und später dann im übrigen Osteuropa und der Sowjetunion. Der Tod, den die Deutschen brachten, hatte viele Gesichter. Der 2024 gestorbene Marian Kalwary etwa erinnerte sich an das Sterben im jüdischen Ghetto von Warschau: “Es war ein langsamer Tod. Zuerst schwollen die Menschen vom Hunger an. Nachdem die Schwellung zurückgegangen war, blieben nur Knochen. Auf der Straße lagen viele solche Skelettkinder.”
In Berlin wird am Montag ein erster Gedenkort an die Opfer des deutschen Angriffskrieges und der deutschen Besatzungsherrschaft in Polen enthüllt. Es sei wichtig, ein solches Zeichen zu setzen, sagt der Direktor des Deutschen Polen-Institus, Peter Oliver Loew, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). “Auch wenn das erst einmal nur ein temporärer Gedenkort ist, so ist der von ihm ausgehende Impuls doch von enormer Bedeutung.”
Den Gedenkort in der Nähe des Bundeskanzleramtes markiert bis auf Weiteres ein großer Findling aus Mecklenburg-Vorpommern. Er liegt auf dem Gelände der ehemaligen Kroll-Oper, in der Hitler am 1. September 1939 seine Rede hielt. Im Juni 2024 hatte die Bundesregierung einem Konzept zugestimmt, wonach an dieser Stelle ein dauerhaftes Denkmal und ein Deutsch-Polnisches Haus erreichtet werden soll. Einen konkreten Zeitplan dafür gibt es allerdings noch nicht. Über die Finanzierung des Vorhabens, für das ein hoher zweistelliger Millionenbetrag veranschlagt wird, soll der Bundestag entscheiden.
“Gerade angesichts von Russlands Angriffskrieg in der Ukraine ist auch der deutschen Gesellschaft klar geworden, wie wichtig für die Widerstandsbereitschaft die Idee der Nation ist”, so Historiker Loew. Die polnische Nation habe in ihrem Kampf gegen die deutschen Besatzer unermessliche Opfer erlitten. “Das endlich zu würdigen, ist ein notwendiger und wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer weiteren Annäherung unserer beiden Länder.”
Die Schatten der Vergangenheit reichen bis in die Gegenwart. Zuletzt hatte Polens neuer Präsident Karol Nawrocki im Wahlkampf die Frage von Reparationen durch Deutschland aufgegriffen. “Ich werde vom ersten Tag meiner Präsidentschaft an für sie kämpfen”, so der nationalkonservative Politiker, der von 2017 bis 2021 Direktor des Museums des Zweiten Weltkriegs in Danzig war.
Das Gedenken an die Verbrechen der Deutschen während des Vernichtungskrieges im Osten Europa bleibt eine Herausforderung, die immer wieder durch aktuelle politischen Entwicklungen überlagert wird. Ein Beispiel dafür ist ein zweites Projekt, das über Polen hinausweisen und etwa auch Russland mit einschließen würde. Hiervon ist seit längerem nur noch wenig zu hören – nicht zuletzt wegen des aggressiven Kurses von Präsident Wladimir Putin.
“Im Oktober 2023 hat der Bundestag den Realisierungsvorschlag für ein Dokumentationszentrum Zweiter Weltkrieg und deutsche Besatzungsherrschaft beschlossen”, teilt eine Sprecherin des Kulturstaatsministers auf KNA-Anfrage mit. “Die hierfür eingerichtete Stabsstelle am Deutschen Historischen Museum hat mit ihrer Mitarbeit an der derzeitigen Ausstellung ‘Gewalt ausstellen’ im DHM einen weiteren wichtigen Schritt in die Öffentlichkeit getan.” Derzeit stehe im Vordergrund, die Konzeption der künftigen Ausstellung auszuarbeiten. Ein Standort werde weiter gesucht.
Das sogenannte Polen-Denkmal hat immerhin schon mal einen Standort – und ein sichtbares Zentrum. Kulturstaatsminister Wolfram Weimer will bei der Enthüllung des Gedenksteins eine Rede halten, wie auch seine polnische Amtskollegin Hanna Wroblewska.