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Nah bei den im eigenen Land Verfolgten

Seit 30 Jahren geht einer christlich orientierten Hilfsorganisation im Nordirak die Arbeit nicht aus. CAPNI – Christian Aid Program Northern Iraq – hat seine Wurzeln im Zweiten Golfkrieg, als viele Millionen Iraker über die Grenzen zur Türkei und zum Iran flohen. Im irakischen Duhok gründete eine Gruppe von Christen daraufhin 1993 offiziell die Hilfsorganisation. Unterstützt wurde sie von Anfang an von der württembergischen und der bayerischen Landeskirche. CAPNI gab sich das Leitwort „Um die Hoffnung am Leben zu halten“ (To Keep The Hope Alive).

CAPNI arbeitet im Nordirak in der historisch Nohadra genannten Region um Duhok und der Kurdenregion. Im Kurdengebiet entstand ein „Sicherer Hafen“ für Flüchtlinge, der es zugleich ermöglichte, dass Medien und Hilfsorganisationen in den Irak kommen und direkt Kontakt mit den Menschen dort aufnehmen konnten. Die ersten zehn Jahre waren die internationalen Verbindungen von CAPNI beschränkt auf die beiden süddeutschen Landeskirchen, von denen die Organisation Unterstützung und Rückhalt erhielt.

Zuerst bestanden die Aktivitäten aus helfenden Kontakten je einer Familie in Deutschland und einer armen Familie im Nordirak. Dann weitete sich das Programm aus zur Unterstützung von Studierenden, denen ermöglicht wurde, ihr Studium fortzuführen und anschließend Arbeit zu finden.

Nach und nach sorgten die beiden Landeskirchen dafür, dass sich auch andere Hilfsorganisationen aus Deutschland an der Hilfe für den Nordirak beteiligten, darunter Misereor, Aid to Church in Need (ACN) und der Lutherische Weltbund (LWB). So konnten die Hilfen ausgeweitet werden und umfassten unter anderem den Wiederaufbau von Häusern und Landwirtschaft, einschließlich Trinkwasserversorgung und Bewässerungssystemen, den Wiederaufbau von Kirchen und Schulen und einen Gesundheitsdienst. Eine Ausdehnung in die Nineveh-Ebene, wo viele Christen und Jeziden lebten, gelang zunächst nicht, weil die Mitarbeitenden von CAPNI auf „Schwarzen Listen“ des irakischen Ex-Regimes standen und gefährdet waren. Das funktionierte erst Jahre später.

Heute ist CAPNI auch eine Stimme auf dem internationalen politischen Parkett. Als am 1. Oktober in der Al-Haytham Hall in Baghdeda (Qaraqosh) bei einer christlichen Hochzeit weit über 100 Menschen bei einem Brand getötet und viele weitere teils schwer verletzt wurden, informierte CAPNI seine Partnerorganisationen über die Reaktionen der irakischen Regierung und der betroffenen Bevölkerung. Die Regierung gab schnell den Verantwortlichen vor Ort die Schuld an der als Unfall deklarierten Feuerkatastrophe. Die Syrisch-katholische Diözese Mosul hat jedoch darauf verwiesen, dass auch andere Katastrophen, die irakische Minderheiten betrafen, von der Regierung rasch als örtlich verursacht deklariert wurden. Dazu gehörten eine 2019 beim kurdischen Neujahrsfest gesunkene Fähre in Mosul und ein Bombenanschlag von 2016 im hauptsächlich von Schiiten bewohnten Bagdader Stadtviertel Karrada. Der Bischof der Diözese, Benedict Younan Hanno, forderte unabhängige Untersuchungen der Vorfälle.

CAPNI informiert – und kümmert sich um Opfer des Brandes, beispielsweise um vier in Kliniken in Duhok. Von den insgesamt 20 nach Duhok gebrachten Opfern waren neun gestorben und sieben in die Türkei weiterverlegt worden. Die etwa 25 Verletzten, die in Baghdeda nach gut einer Woche aus den Kliniken entlassen und zuhause weiter versorgt werden konnten, wurden und werden von einem mobilen Klinikteam von CAPNI betreut. Dieses Team wird auch von der Evangelischen Landeskirche in Württemberg unterstützt. Die Diözese Mosul hat zudem ein Team zusammengestellt, das die Betroffenen psychologisch und geistlich begleitet. Archimandrit Emanuel Youkhana, Exekutivdirektor von CAPNI, meldete nach Stuttgart, dass inzwischen ein Team für die schnelle Bedarfseinschätzung gebildet wurde (Rapid Need Assessment/RNA). Es wird in Kontakt mit den Partnern klären, welche Schritte als Nächstes nötig sind. (2502/20.10.2023)