Nachkommen deutscher Widerstandskämpfer gegen das Nazi-Regime haben zum Schutz der Demokratie gegen den Rechtsextremismus aufgerufen. „Wir sollten uns alle dafür verantwortlich fühlen, die liberale und rechtsstaatliche Demokratie zu bewahren und sie zu verteidigen“, heißt es laut den Zeitungen der Essener Funke Mediengruppe (Montag) in einem Appell mit dem Titel „Aus der Geschichte lernen, die Demokratie stärken!“. Die aktuellen Demonstrationen gegen Rechtsextremisten sehen sie als ein „ermutigendes Zeichen“. Am Wochenende waren bundesweit wieder Hunderttausende Menschen gegen Rechtsextremismus auf die Straßen gegangen. Die Parteien in NRW verzeichnen seit Beginn der Proteste offenbar mehr Zulauf.
Zu den mehr als 280 Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern des Appells gehören laut Funke-Zeitungen unter anderem die Nachfahren von Dietrich Bonhoeffer, Claus Schenk Graf von Stauffenberg, Carl Friedrich Goerdeler sowie von Freya und Helmuth James von Moltke.
In dem Appell beklagen sie laut Bericht, dass in vielen Ländern „Populisten und Feinde der Demokratie“ an Zustimmung gewännen. Diese schürten „Ängste vor sozialem Abstieg, vor Fremden, vor allem Neuen“ sowie Hass und Misstrauen. Deutschland habe schon einmal erlebt, wohin das führen könne. „Es waren unsere Eltern, Großeltern und Urgroßeltern, die sich dem NS-Unrecht damals als Widerstandskämpfer entgegengestellt haben“, hieß es. „Deshalb melden wir uns als Angehörige und Nachkommen heute zu Wort und fordern alle Mitbürger dazu auf, der Neuen Rechten in unserem Land und europaweit die Stirn zu bieten.“
Zudem loben sie den Zeitungen zufolge die aktuellen Demonstrationen gegen Rechtsextremisten als ein „ermutigendes Zeichen“. Doch diese allein würden nicht ausreichen. „Wir brauchen ein stärkeres Engagement der Demokratinnen und Demokraten“. Wichtig sei es, wählen zu gehen. Sie fordern die Wählerinnen und Wähler auf, mit dem Stimmzettel dafür zu sorgen, dass bei den Europawahlen am 9. Juni nicht rechtsextreme Parteien „zu den Gewinnern in Europa“ zählen. Auch die Landtagswahlen in Brandenburg, Thüringen und Sachsen dürften „nicht zugunsten der AfD ausgehen“, mahnen die Nachkommen.
Laut einem Bericht der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ (Montag) verzeichnen viele Parteien in Nordrhein-Westfalen seit Beginn der Proteste deutlich gestiegene Eintrittszahlen. Nach Angaben von Paul Ziemiak, Generalsekretär CDU NRW, seien seit Jahresbeginn etwa 400 Menschen in die NRW-CDU eingetreten – eine Verdopplung im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Die Grünen in NRW berichten laut Zeitung von mehr als 600 neuen Mitgliedern, die SPD gehe von einer Verdreifachung aus. Bei der FDP lägen die Ein- und Austritte auf einem ähnlichen Niveau wie im Vorjahr. Auch die AfD in NRW verzeichne nach eigenen Angaben Zulauf: im Januar 2023 habe es einen Nettozugang von 50 Mitgliedern gegeben, im laufenden Jahr seien es bereits 370 Mitglieder.
Der Präsident des Städte- und Gemeindebunds NRW, Christoph Landscheidt (SPD), forderte Bürgerinnen und Bürger dazu auf, sich nachhaltig für die Gesellschaft und Demokratie einzusetzen. „Engagiert euch, bringt euch ein und streitet um die besten Lösungen“, sagte er der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ (Montag). Bester Ort dafür sei die eigene Stadt oder Gemeinde. Mitgestalten könne man im Verein, in der Nachbarschaft, aber auch in einer Partei und im Gemeinderat: „Unsere Demokratie ist darauf angewiesen, dass Menschen sie zu ihrer eigenen Sache machen.“
Am Wochenende waren erneut mehrere hunderttausend Menschen gegen Hass und Hetze und für Demokratie auf die Straße gegangen, auch in NRW. Auslöser der Protestwelle war ein Treffen von AfD-Vertretern mit Rechtsextremisten Ende November in Potsdam. Dabei wurde nach Recherchen des Netzwerks „Correctiv“ über eine massenhafte Ausweisung von Menschen mit Migrationsgeschichte aus Deutschland gesprochen.