Nach dem offenbar vorsätzlich gelegten Brand mit vier Toten in einem Mehrfamilienhaus in Solingen ermittelt die Staatsanwaltschaft weiter in alle Richtungen. Während für Migrantenvertreter und den Islamverband Ditib ein rassistisches Motiv für die Brandstiftung naheliegt, sahen die Behörden dafür auch zunächst keine Anhaltspunkte. Auch die Stadt Solingen äußerte sich zurückhaltend. Bei dem Feuer war in der Nacht zum Montag eine vierköpfige Familie gestorben.
Es handelt sich bei den Toten vermutlich um aus Bulgarien stammende Eltern im Alter von 28 und 29 Jahren sowie ihre zwei Kinder im Alter von drei Jahren und fünf Monaten. Mehrere Menschen wurden verletzt, einige von ihnen schwer. Nach dem vorläufigen Brandgutachten wurden laut der Staatsanwaltschaft Wuppertal im Treppenhaus des Gebäudes, einer Holzkonstruktion, Reste von Brandbeschleuniger festgestellt. Anhaltspunkte für ein rassistisches Motiv gebe es derzeit aber nicht, erklärten die Ermittlungsbehörden. Es werde unter anderem wegen Mordes und versuchten Mordes ermittelt.
Landesintegrationsrat: Rückschlag für unser friedliches Miteinander
„Leider müssen wir davon ausgehen, dass hinter dem feigen Anschlag rassistische Hintergründe stecken“, erklärte der Vorsitzende des Landesintegrationsrats NRW, Tayfun Keltek. „Die aktuell gesellschaftlich aufgeheizte Lage lässt mich zu diesem Ergebnis kommen.“ Keltek nannte die Tat einen „weiteren Rückschlag für unser friedliches Miteinander und eine Fortsetzung der Greueltat von vor 30 Jahren“ in Solingen. Damals waren bei einem Brandanschlag in Solingen fünf Menschen getötet worden.
„Das Treffen der Rassisten und Antidemokraten in Potsdam zeigt einmal mehr, dass es nicht gelungen ist, den Rassismus und Rechtsextremismus in Deutschland zu bekämpfen“, betonte Keltek. Er rief dazu auf, „klare Kante“ zu zeigen und Position zu beziehen.
Ditib: Tat „weckt traumatische Erinnerungen“
Ähnlich äußerte sich auch die Türkisch-Islamische Union (Ditib). Die Tat „schockiert uns zutiefst und weckt traumatische Erinnerungen“, erklärte der Islamverband in Köln. Er kritisierte, dass die Ermittler bisher nicht von einem rassistischen Motiv ausgehen. „Wieder Solingen, wieder ein tödlicher Hausbrand, wieder spät nachts, wieder Brandbeschleuniger“, erklärte die Ditib.
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2024-03-27 | Pressemeldung
Brandanschlag in Solingen weckt schlimmste Erinnerungen pic.twitter.com/yK5qJVoNzq— DITIB Bundesverband (@DITIBkoln) March 27, 2024
Es lasse aufhorchen, dass in dem Haus mehrheitlich Menschen mit Migrationshintergrund gelebt hätten: „Denn bis auf eine Person handelt es sich bei allen Bewohnern um türkischstämmige Muslime aus Bulgarien oder der Türkei.“ Die Ditib-Gemeinde nahm nach eigenen Angaben Gespräche mit den Hinterbliebenen auf. „Sie planen gemeinsam das Totengebet und die Überführung der Toten nach Bulgarien.“
Trauerbeflaggung vor dem Rathaus
Eine Sprecherin der Stadt Solingen sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), man wolle sich beim aktuellen Stand der Ermittlungen „an keinerlei Spekulationen beteiligen“. Oberbürgermeister Tim Kurzbach (SPD) hatte am Montag den Brandort besucht und seine Trauer bekundet. Er ordnete Trauerbeflaggung vor dem Rathaus an. Auch ein Sprecher des evangelischen Kirchenkreises Solingen sagte dem epd, man wolle die laufenden Ermittlungen abwarten, eher man zu irgendwelchen Aktionen aufrufe.
Der Brand in der Nacht zum Montag weckt Erinnerungen an Pfingsten 1993, als vier junge Männer aus der Neonazi-Szene in Solingen das Haus der türkischstämmigen Familie Genç in Brand setzten. Zwei Frauen und drei Mädchen im Alter von 4 bis 27 Jahren starben, weitere Familienmitglieder wurden teils lebensgefährlich verletzt. Die Tat war einer der folgenschwersten ausländerfeindlichen Anschläge der deutschen Nachkriegsgeschichte.
Die Stadt Solingen war zu Pfingsten 1993 bundesweit in die Schlagzeilen geraten, weil vier junge Männer aus der Neonazi-Szene das Haus der türkischstämmigen Familie Genç in Brand gesetzt hatten. Zwei Frauen und drei Mädchen im Alter von 4 bis 27 Jahren starben, weitere Familienmitglieder wurden teils lebensgefährlich verletzt. Die Tat war einer der folgenschwersten ausländerfeindlichen Anschläge der deutschen Nachkriegsgeschichte.
Hinweis: Zeuginnen und Zeugen können sich unter der Rufnummer 0202/284-1122 bei der Polizei Wuppertal melden. Hinweise können auch online gegeben werden unter www.nrw.hinweisportal.de