Ina Ruck (61), Leiterin des ARD-Studios in Moskau, sieht weiterhin eine mehrheitliche Zustimmung der Russen zum Krieg in der Ukraine. “Das liegt auch daran, dass dieser Krieg durchaus gut ist für viele Leute – so zynisch das klingt”, sagte die WDR-Journalistin am Mittwoch im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Bonn.
“Die Soldaten erhalten vergleichsweise viel Geld, das sie nach Hause schicken können. Und wenn sie im Kampf sterben, werden die Familien geehrt – vielleicht sogar mit einer Urkunde des Präsidenten oder Verteidigungsministers – und finanziell bedacht.” Die Familien stiegen im Ansehen. “Und oft sieht man in den Dörfern, dass der Wohlstand gestiegen ist, und dass da Geld für ein neues Auto oder ein renoviertes Haus geflossen ist.” In Moskau, wo das Protestpotenzial theoretisch am größten sei, sei deshalb die Versorgung nicht schlechter geworden. “Wohl deshalb werden von hier auch sehr wenige Männer in den Krieg geschickt.”
Ruck erhält am Donnerstag in Köln zusammen mit Elmar Theveßen (56), Leiter des ZDF-Studios in Washington, den Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis für Fernsehjournalismus 2023. Die aus Unna stammende Journalistin gehöre seit Jahrzehnten zu den besten, mit beeindruckendem Hintergrundwissen und brillanter Sprachkenntnis ausgestatteten Journalistinnen und Journalisten, die aus Russland berichten, heißt es in der Begründung der Jury.
Zu ihren Arbeitsbedingungen in Russland sagte Ruck, das Schwierigste sei “die permanente Sorge, dass wir unsere Gesprächspartner gefährden könnten”. Westliche Journalisten könnten sich frei im Land bewegen. “Aber natürlich ist uns bewusst, dass alle unsere Wege über Handyortung und Kameras nachverfolgt werden können. Spätestens seit Corona wissen wir, dass ganz Moskau durch Kameras überwacht wird. Bis in die Hausflure hinein.”
Die meisten Russen seien vorsichtiger und misstrauischer geworden, wenn es um Gespräche mit Journalisten gehe. Manche mieden Kontakte aus Sorge um ihre Karriere oder aus Angst vor Verhaftung. “Man wird mittlerweile sogar immer häufiger angefeindet, wenn man als Angehöriger eines westlichen Landes identifiziert wird.”
Der russische Staat habe seit Kriegsbeginn die Mediengesetze immer wieder verschärft, so die Studioleiterin. Dass der US-Journalist und “Wall Street Journal”-Reporter Evan Gershkovich seit März wegen Spionagevorwürfen in Haft ist, bezeichnete die Journalistin als Skandal und als deutliches Zeichen der russischen Behörden an die westlichen Medien: Befasse Dich nicht mit bestimmten Themen.
Die ARD habe deshalb gleich nach Kriegsbeginn wie viele andere westliche Medien entschieden, die eigentliche Berichterstattung über den Krieg und den engeren Bereich des Militärischen nach Kiew und in die Zentrale nach Köln auszulagern. Auf diese Weise könne man seriös berichten, ohne das eigene Personal in Moskau zu gefährden.