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Mobile Tierambulanz hilft im Norden

Sein Krankenwagen hat Katzenaugen, hinter der Windschutzscheibe lächeln zwei Stofftiere. Christian Ergenzinger ist mit der mobilen Tierambulanz in Schleswig-Holstein unterwegs. Mit an Bord sind ein Elektrokardiogramm (EKG), ein Ultraschallgerät und viele andere Dinge, die in „jeder Tierarztpraxis zu finden sind“, sagt der 57-Jährige. Das Besondere bei ihm: Die Behandlung ist kostenlos. Damit hilft er Tieren von Menschen, die sich keinen regulären Tierarztbesuch leisten können. Im Auftrag des Vereins Tierhilfe Rhein-Mosel fährt er überall hin, wo die Not am größten ist. Gerade ist er in Kiel.

Seit acht Monaten tourt Ergenzinger durch die Republik und hat schon mehr als 2.800 Tiere untersucht. Seine Mietwohnung hat er aufgegeben, er lebt mit seinen vier Hunden in einem Wohnwagen, der vom Tier-Krankenwagen gezogen wird. Zwei bis vier Wochen bleibt er an einem Ort. Nach Hannover, Halle, Pirna, Dresden, Odenwald, Mannheim, Stuttgart, Rostock und Schwerin ist Kiel ist der zehnte Stopp auf Ergenzingers Reise.

Den Halt der mobilen Praxis in Kiel hat Wolfgang Baasch, Leiter der Obdachlosenhilfe Kiel, möglich gemacht. „Organisieren, managen, Menschen helfen – das ist mein Leben“, sagt Baasch. Bei Stammgästen der Obdachlosenhilfe seien einige Hundebesitzer dabei. Ergenzinger ist kein Tierarzt. Er hat zwar Tiermedizin studiert, sich dann aber für den naturheilkundlichen Weg entschieden. Danach hat er mehrere Jahre mit Tierärzten in seiner Praxis in Hannover gearbeitet.

„Diagnostisch läuft bei mir aber alles so wie in jeder Praxis“, sagt Ergenzinger. EKG, Ultraschall, moderne Geräte – alles sei da, um etwa Zahnreinigungen durchzuführen, Krallen zu schneiden, Ohr- oder Augenentzündungen und Wunden zu versorgen. Auch Weichteil-Operationen seien möglich. Nur bei Knochenbrüchen stoße er an Grenzen. Auch verschreibungspflichtige Medikamente könne Ergenzinger nicht ausgeben. „Wenn das notwendig ist, kooperieren wir mit einer Tierarztpraxis vor Ort.“ Niemand müsse sich Sorgen machen, dass in seiner mobilen Praxis Kosten anfallen. Finanziert wird die Arbeit vor allem durch Spenden, die der Verein Tierhilfe Rhein-Mosel sammelt.

Hat sich der Aufenthaltsort der Praxis herumgesprochen, werden die verschiedensten Tiere vorbeigebracht. Etwa 20 bis 80 Tiere pro Tag. „In Mecklenburg Vorpommern kam jemand mit seinem Papageien auf der Schulter“, erzählt er grinsend. In Sachsen stand plötzlich ein Pferd vorm Wagen. Häufiger würden aber klassische Haustiere wie Hunde, Katzen oder Meerschweinchen vorbeigebracht.

Neben Operationen oder teuren Medikamenten geht die Diagnostik bei der klassischen Tierarztpraxis ins Geld. Das kann Ergenzinger übernehmen. Er weiß: „Das erste, was bei Geldmangel weggelassen wird, sind oft Vorsorgeuntersuchungen.“ Doch gerade diese könnten Tieren häufig viel Leid ersparen.

Damit die mobile Praxis helfen kann, brauche es in jeder Stadt Unterstützer, um einen Stellplatz zu finden. Verbrauchsmaterial für Infusionen, Verbandstoffe oder Spritzen kämen oft von örtlichen Krankenhäusern. „Die Hilfsbereitschaft vor Ort ist jedes Mal groß“, freut sich Ergenzinger. Wenn mehr als zwei Hände benötigt werden, würden Praxen ihre tiermedizinischen Fachangestellten vorbeischicken. Andere Menschen würden die Organisation vor dem Wagen übernehmen, damit dringende Fälle zuerst versorgt werden.

Der Bedarf ist groß. Laut Statista-Datenbank gab es im vergangenen Jahr rund 33,9 Millionen Haustiere in Deutschland, im Schnitt lebt in 44 Prozent aller Haushalte ein Haustier. Ergenzinger wünscht sich, dass Menschen sich grundsätzlich besser informieren, bevor sie sich ein Tier holen. „Mir sind Tiere das Wichtigste“, betont er. „Tiere haben keine vernünftige Lobby. Sie ertragen alles tapfer, beklagen sich nicht und haben teilweise schreckliche Schicksale.“

Schon seit 30 Jahren kümmert er sich um Tiere von Menschen mit wenig Geld. Ans Aufhören denkt der 57-Jährige nicht, „das Ende ist offen“. Nur der nächste Halt steht schon fest: Anfang Juni geht es nach Flensburg.