“Sehr kurz vor zu spät” – Michel Friedman warnt vor zunehmenden Gefahren für die Demokratie. Für deren Verteidigung bleiben höchstens fünf Jahre Zeit, glaubt der Publizist. Und sieht vor allem eine Partei als Gefahr.
Publizist Michel Friedman ruft zu entschiedenerem Einsatz gegen alle Feinde der Demokratie auf. “Es ist sehr kurz vor zu spät”, sagte er in einem am Freitag veröffentlichten Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) mit Blick auf die AfD: “Wir haben meiner Meinung nach nicht einmal ein halbes Jahrzehnt, um uns wieder zu restabilisieren, und ich bin äußerst beunruhigt darüber.”
Politische Gleichgültigkeit sei die größte Gefahr für die Demokratie, fügte Friedman hinzu: “Wir haben die letzten 20 bis 30 Jahre furchtbare politische Fehlentscheidungen getroffen.” Über Jahrzehnte habe man in Deutschland außerdem “ganz bewusst und mit offenen Augen ignorieren wollen, dass es antidemokratische und rechtsextremistische Kräfte gibt”. Immerhin wisse man jetzt seit mehreren Wahlperioden, “dass diese Partei des Hasses und des Antidemokratischen gewählt und immer stärker wird”.
Der Aufstieg der AfD sei “ein Angriff auf uns alle, nicht mehr nur auf Minderheiten”, so der Herausgeber des traditionsreichen Magazins “Aufbau” weiter: “Aber es hat bis 2022 gedauert, bis zum ersten Mal ein deutscher Innenminister – nämlich Horst Seehofer – aufgrund des Verfassungsschutzberichtes sagen musste, dass der Rechtsextremismus die größte Gefahr für die Demokratie in Deutschland ist. Davor war es nicht gewollt, sich damit zu beschäftigen.”
Friedman war lange Mitglied der CDU, deren Bundesvorstand er bis 1996 angehörte. Ende Januar trat er aus Protest gegen die gemeinsame Abstimmung von AfD und Union im Bundestag aus der Partei aus.
Der “Aufbau” als große Zeitschrift des Exils sei heute wichtiger denn je, ergänzte Friedman. Denn momentan erlebe die Welt wieder sehr viel Exil: “In allen Teilen der Welt werden Journalisten, Publizistinnen und Kulturschaffende ganz allgemein gezwungen, ihr Land zu verlassen. Von autoritären Systemen, in denen sie leben – oder immer häufiger auch aus Ländern, die demokratisch waren, aber immer autoritärer werden.”
Daher brauche man wieder eine Zeitschrift “mit einer solchen Glaubwürdigkeit und ihrem Hintergrund aus dem liberalen Judentum, die eine Plattform sein will für eine Stärkung der demokratischen Werte”.