Berlin/KARLSRUHE – In der von der FDP angestoßenen Debatte über Sterbehilfe haben sich Palliativmediziner gegen die Abgabe todbringender Medikamente durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte ausgesprochen. Die Patienten bräuchten in der Regel eine gute Begleitung und die Verfügbarkeit von Experten, sagte Thomas Sitte von der Deutschen Palliativstiftung in einer Anhörung im Februar im Bundestag in Berlin. In seinen 30 Jahren Berufserfahrung habe er die Erfahrung gemacht, dass die meisten Menschen nicht wüssten, was Palliativmedizin leisten könne. Sie ermögliche Leidenslinderung. Nicht selten verschwinde nach der Behandlung der Wunsch nach einem Suizid.
Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin, Lukas Radbruch, gab zu bedenken, dass es schwierig sei, eine Behörde darüber entscheiden zu lassen, wer ein tödlich wirkendes Medikament bekommt. Leiden sei immer subjektiv. Man müsste definieren, was „unerträglich“ bedeutet. Zudem sei die Trennung zwischen körperlichen und seelischen Leiden schwierig. Niemand könne ausschließen, dass bei einem Sterbewunsch auch eine Depression eine Rolle spiele, sagte Radbruch.
Auch Bundesärztekammer-Präsident Frank Ulrich Montgomery lehnte die Medikamentenabgabe durch die Behörde ab. Er verwies in der Anhörung auf das 2015 verabschiedete Gesetz zum Verbot organisierter Sterbehilfe.
Katharina Jestaedt vom katholischen Büro in Berlin und die Ethikprofessorin Sigrid Graumann von der Evangelischen Fachhochschule Rheinland mahnten, das Angebot könne sozialen Druck auf die Betroffenen erzeugen.
Befürworter wie der Verfassungsrechtler Reinhard Merkel verwiesen auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts. Das höchste deutsche Verwaltungsgericht hatte 2017 entschieden, dass das Bundesinstitut in „extremen Notlagen“ unheilbarer und leidender Antragsteller dazu verpflichtet sein könnte, todbringende Mittel abzugeben. Das Urteil wird bis heute nicht umgesetzt, weil Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) verfügt hat, dass das Institut keine Anträge positiv bescheiden soll.
Die FDP im Bundestag kritisiert das und fordert, Schwerstkranken den Erwerb von Betäubungsmitteln für den Suizid zu ermöglichen. Über einen entsprechenden Antrag beriet der Bundestags-Gesundheitsausschuss.
Aktuell berät zudem das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe über elf Verfassungsbeschwerden gegen das Ende 2015 vom Bundestag beschlossene Gesetz zur Suizidbeihilfe. Sterbehilfevereine etwa halten das Gesetz, das die geschäftsmäßige, also organisierte Förderung der Beihilfe zur Selbsttötung unter Strafe stellt, für zu restriktiv. Palliativmedizinern dagegen gehen die Regelungen zu weit. epd/KNA/UK
Artikel teilen:
Mediziner gegen Abgabe tödlicher Mittel
Anhörung im Bundestag über FDP-Antrag, Schwerstkranken den Erwerb von Betäubungsmitteln für den Suizid zu ermöglichen. Kirchen warnen vor sozialem Druck.