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Medienforscher zu Radionutzung: “Die Reichweite wird weiter bröckeln”

Um auch in Zukunft relevant und attraktiv zu sein, müssen private Radiosender aus Sicht des Forschers Holger Schramm etwas an ihrem Programm verändern. „Da diese Sender werbefinanziert sind, müssen sie daran arbeiten, von möglichst vielen Menschen eingeschaltet zu werden“, sagte der Professor für Medien- und Wirtschaftskommunikation an der Universität Würzburg dem Evangelischen Pressedienst (epd) zum Welttag des Radios (13. Februar). Das werden sie, wenn sie einen Musikmix präsentieren, der von möglichst vielen gemocht wird. Dieses Prinzip funktioniere seit Jahrzehnten, doch die Konkurrenz durch Streaming-Anbieter werde immer größer.

Laut der Funkanalyse Bayern hörten im Jahr 2024 78,5 Prozent der Menschen in Bayern Radio und 28,5 Prozent Musik und Podcasts im Internet. „Die Reichweite des Radios lag vor wenigen Jahren noch bei weit über 80 Prozent. Die Radiosender verlieren und sie verlieren einen großen Teil an die Streamingdienste“, so Schramm. Bei den 14- bis 29-Jährigen hat die Nutzung von Online-Angeboten mit 63,3 Prozent bereits die Radionutzung (61,4 Prozent) überholt. „Die Reichweite wird Jahr für Jahr bröckeln, bis sie irgendwann an einer Grenze ist, wo selbst für große Sender nicht mehr genug Reichweite da ist, um genügend Geld über die Werbung zu verdienen.“

Ein Weg, um dem langsamen Verfall entgegenzuwirken, könne eine deutliche Veränderung im Musikprogramm sein, schlägt der Forscher vor. „Der Mainstream-Mix verliert in der heutigen Zeit, wo immer mehr Menschen stark individualisiert Musik per Streaming nutzen, an Attraktivität.“ Radiosender könnten ihr Musikprogramm schrittweise profilieren und dafür auf die Kreativität ihrer Musikredakteurinnen und -redakteure zurückgreifen. „Damit könnten sich die Sender ein bisschen unverwechselbarer machen. Das geht nur mit menschengemachter Musik, die weg von der Marktforschung geht.“ Mit mehr Ecken und Kanten bestehe zwar die Gefahr, Hörerinnen und Hörer zu verlieren, „aber ich glaube, sie haben keine andere Wahl und werden dann eine treue Hörerschaft finden“.

Eine Herausforderung bleibe, junge Menschen grundsätzlich ans Radiohören heranzuführen. Viele Sender, die bereits ein geschärftes Profil haben, seien bei jungen Erwachsenen gar nicht bekannt. Dies könnte laut Schramm einer der Gründe für die kürzliche Insolvenz des bayerischen Radiosenders egoFM sein, der stark auf heimische Musik aus dem Indie- und Alternative-Bereich setzt. „Dieser spezielle Hörerkreis ist so klein, dass man damit nur begrenzt über Werbung Geld verdienen kann.“ Ein weiterer Grund sei die allgemeine schlechte wirtschaftliche Lage: „Eine Rezession wirkt sich immer unmittelbar auf die Werbeumsätze aus.“

Einsparpotenziale über die Nutzung Künstlicher Intelligenz sieht Schramm bei den Sendern hingegen kaum. In den letzten 15 Jahren sei bereits so viel wegrationalisiert worden, dass es dafür wenig Potenzial gebe. „Außerdem will ich daran glauben, dass die Zukunft des Radios etwas Organisches, Menschliches und Überraschendes hat.“ Das spiegle sich laut dem Medien- und Kommunikationswissenschaftler in persönlicher Ansprache und gut kuratiertem Programm wider. (0469/11.02.2025)