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Leih-Kunst für Zuhause

Was den Bundestagsabgeordneten recht ist, soll den Bürgerinnen und Bürgern billig sein: Zeitgenössische Kunst in den eigenen vier Wänden zu genießen. Artotheken verleihen für kleines Geld Originalgemälde, Lithografien, Fotografien und sogar Skulpturen. So lassen sich frische Akzente in der Wohnung oder im Büro setzen. Auch Gewerbetreibende und Soloselbständige freuen sich über die kunstvollen Anregungen und stets neue Aus- und Ansichten.

Artotheken gibt es nicht nur in Metropolen wie Berlin, München oder Köln, sondern vielfach auch in kleineren Städten. In Baden-Württemberg zum Beispiel in Leonberg, Biberach, Heidenheim, Filderstadt und Waldshut-Tiengen. In Friedrichshafen findet sich die Artothek im „Medienhaus am See“, sie verleiht seit März 2017 Kunstwerke. Häufig sind die Sammlungen den Stadtbibliotheken angegliedert, viele führen nur Werke aus dem Besitz der Stadt.

Die Artothek in Radolfzell wurde 2015 gegründet. Durchgesetzt hat sich die Einrichtung bislang kaum, sodass es nun einen neuen Anlauf gibt: Alle 95 Kunstwerke werden in der städtischen Villa Bosch ausgestellt, zugleich Sitz der Artothek. Vernissage ist an diesem Mittwoch (24. Januar), die Ausstellung dauert bis Sonntag, 28. Januar. Zwei Workshops mit Künstlerinnen und ein geführter Rundgang bereichern die fünf Kunsttage.

Erklärtes Ziel des Kulturbüros unter Leitung von Heike Endemann ist es, die Hemmschwelle zur Kunst zu senken. Besucher können sich unverbindlich umsehen und überlegen, was gut zu ihnen passt und ein längeres Anfreunden lohnt. Nach der Ausleihzeit können die Werke zurückgebracht und gegen neue eingetauscht oder – sollten sie verkäuflich sein – auch erworben werden.

Die Leihgebühren sind bescheiden: Eine Jahreskarte für private Nutzungen kostet in Radolfzell 60 Euro, wofür maximal vier Kunstwerke gleichzeitig ausgeliehen werden können. Alternativ können sich Kunstliebhabende ein Stück für 10 Euro pro Monat mit nach Hause nehmen. Die gewerbliche Nutzung kostet das Doppelte, wobei die Versicherung jeweils inklusive ist.

Eine Besonderheit in Radolfzell: Seit 1978 richtet die Stadt alle zwei Jahre den Bundeskunstpreis für Menschen mit Behinderung aus. Die Werke der jeweils ersten Preisträgerinnen oder Preisträger werden von der Stadt angekauft. So aus der Verleihung von 2020 der „Hund“, eine glasierte Tonskulptur von Claudia Fuchs, die nun eine von vier Skulpturen der Sammlung darstellt. Die Stücke aus dem städtischen Besitz sind unverkäuflich – im Gegensatz zu anderen, die von freien Künstlern und Künstlerinnen zur Verfügung gestellt werden.

Endemann ist selbst Künstlerin, engagiert im „Bund Freischaffender Bildhauer/* innen“ Baden-Württemberg, und sie weiß, wie schwierig es ist, Kunst und potenzielle Kunstgenießer zusammenzubringen. In Radolfzell machte sie sich als Initiatorin des Bildhauersymposiums auf der Halbinsel Mettnau sowie der Friedhofsgalerie auf dem Waldfriedhof einen Namen. Letztere wurde gerade nochmals ergänzt und bis Mai 2025 verlängert. Hier wie da gilt das Prinzip: Einfach mal vorbeispazieren, ganz unverbindlich. (0139/23.01.2024)