Ein Blick auf die Wahl-Karte zeigt es: Der Osten ist blau – der Rest vorwiegend schwarz eingefärbt. Kirchenvertreter sind beunruhigt und fordern eine kritische Auseinandersetzung mit der innerdeutschen Lage.
Spitzenvertreter der katholischen Kirche hoffen nach der Bundestagswahl auf eine zügige und verantwortungsvolle Regierungsbildung. Zugleich zeigten sie sich besorgt mit Blick auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Der Freiburger Erzbischof Stephan Burger sagte am Montag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA): “Das Ergebnis zeigt, wie polarisiert unsere Gesellschaft mittlerweile ist.”
Burger ergänzte, er sehe diese Entwicklung mit großer Sorge, denn in einer Gesellschaft müssten die verschiedenen Akteure im Gespräch bleiben können, um Lösungen für die anstehenden Probleme zu finden: “Das Abdriften in Extreme gefährdet die Kompromissfähigkeit und den gesellschaftlichen Zusammenhalt.”
Nun müssten die demokratischen Kräfte zum Wohl der Bürgerinnen und Bürger zusammenarbeiten, forderte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing: “Das heißt zuhören, einander verstehen und konstruktiv um gerechte Lösungen ringen und zu Kompromissen bereit sein”.
Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki sagte der Plattform domradio.de: “Angesichts der Herausforderungen, vor denen unser Land, Europa und im letzten die ganze Welt stehen, hoffe ich, dass es zügig zur Bildung einer neuen Bundesregierung kommt, die dann maßvoll und klug die politischen Probleme unserer Zeit angeht, den gesellschaftlichen Zusammenhalt fördert und allen Tendenzen von Spaltung und Polarisierung wirksam entgegentritt.”
Dem am Montagmorgen von der Bundeswahlleiterin veröffentlichten vorläufigen Ergebnis zufolge kommt die Union auf 28,6 Prozent der Stimmen, gefolgt von der AfD mit 20,8 Prozent, dahinter kommen SPD (16,4 Prozent), Grüne (11,6 Prozent) und Linke (8,8 Prozent). BSW (4,97 Prozent) und FDP (4,3 Prozent) scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde.
Die Zunahme der Stimmenanteile für die AfD nannte der Paderborner Erzbischof Udo Markus Bentz ein ernstzunehmendes Warnsignal für die Demokratie. Das Ergebnis dürfe keinesfalls als bloß statistische Entwicklung abgetan werden: “Vielmehr erfordert es ein entschlossenes Handeln von Politik, Zivilgesellschaft und jedem Einzelnen, um den schleichenden Einfluss extremistischer Positionen wirksam zu begrenzen und die demokratischen Werte zu verteidigen”, so Bentz.
“Hoffentlich bleiben wir gesellschaftlich beieinander und überwinden die Gräben, die sich in den letzten Wochen gezeigt haben”, erklärte der Hamburger Erzbischof Stefan Heße. Er wünsche sich eine Regierung, die die Zukunftsthemen des Landes wie Wirtschaft, Umwelt und Leben in Würde mutig angehe. “Aus meiner christlichen Perspektive müssen soziale Gerechtigkeit und die Integration der Menschen, die zu uns kommen, einen festen Platz auf der politischen Agenda haben”, so Heße, der auch Flüchtlingsbischof der Bischofskonferenz ist.
Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) gratulierte CDU-Chef Friedrich Merz zum Wahlsieg. “In Zeiten einer besorgniserregenden Fragmentierung der Gesellschaft brauchen wir in Deutschland jetzt einen Kanzler, der eint. Der europäisch denkt. Und der einem vielfältigen Land mit großen Herausforderungen Hoffnung gibt”, sagte die Präsidentin des Laien-Dachverbands, Irme Stetter-Karp. Zugleich betonte sie: “Wer Zukunft will, darf in dieser Situation nicht zurück in die Vergangenheit. Nicht bei der Klimapolitik. Nicht bei der Wirtschafts- und auch nicht bei der Sozialpolitik.”
Mit Blick darauf, dass die AfD in allen ostdeutschen Bundesländern stärkste Kraft geworden sei, brauche es weiterhin großen Einsatz für Demokratie, gegen Rassismus und Rechtsextremismus, ergänzte Stetter-Karp: “Zugleich brauchen wir eine tiefe inhaltliche Auseinandersetzung mit der innerdeutschen Lage.”
Am Jahrestag des Überfalls Russlands auf die Ukraine erklärte die ZdK-Präsidentin weiter, eine neue Regierung müsse sich schnell der multilateralen Krise annehmen, die durch den Druck, den Donald Trump und Wladimir Putin ausübten, verstärkt werde. So brauche die Ukraine mehr Unterstützung. “Europa braucht Deutschland – und Deutschland braucht Europa auf dem Weg zu einem gerechten Frieden”, so Stetter-Karp.