Die rechtsextremen Tendenzen im Land haben nach Meinung der Vorsitzenden des Kinderschutzbundes in Schleswig-Holstein, Irene Johns, auch Auswirkungen auf die Psyche geflüchteter Kinder. „Einige Flüchtlingskinder in unseren Kinderschutz-Zentren haben sich zum letzten Weihnachtfest einen deutschen Pass gewünscht. Sie merken, dass sie sonst nicht willkommen sind. Das ist unerträglich, dem müssen Politik und Gesellschaft vehement entgegentreten“, sagte sie dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die 72-Jährige wird am Freitag in den Ruhestand verabschiedet. Am selben Tag wird ihre Nachfolgerin gewählt. Einzige Kandidatin ist die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Sophia Schiebe (34).
Als frisch gebackene Erziehungswissenschaftlerin bekam Irene Johns 1981 beim Kieler Ortsverband des Kinderschutzbundes Schleswig-Holstein ihre erste Stelle. „Beim Bewerbungsgespräch fragte mich der Vorstand zu meiner Überraschung, ob ich auch mal einen Feudel in die Hand nehmen würde“, erinnerte sie sich. Die Professionalisierung der Kinderschutzarbeit war damals in den Anfängen, die Aufgaben waren groß und es gab wenig Fachkräfte.
„War das Wohl von Kindern durch ihre Eltern gefährdet, kamen sie häufig sofort raus aus der Familie und wurden in Heimen untergebracht. Es gab keine Sorgentelefone oder Beratungsstellen, bei denen Kinder oder Eltern sich Hilfe holen konnten“, erklärte Johns. Diese Struktur habe der Kinderschutzbund in den 1980-er Jahren erst mit aufgebaut.
Auch zur Enttabuisierung von sexuellem Missbrauch an Kindern trug der Verein bei, in dessen Landesvorstand Irene Johns seit 1987 mitarbeitet. „Man wollte damals nicht wahrhaben, dass es sexuelle Gewalt an Kindern gibt. Heute weiß man, dass in jeder Schulklasse ein bis zwei Kinder davon betroffen sind.“ Der Kinderschutzbund Schleswig-Holstein veranstaltete im November 1989 bundesweit den ersten Fachkongress dazu mit Experten aus dem Ausland.
Damals sei es auch noch üblich gewesen, Kinder mit körperlicher Züchtigung zu bestrafen. Es galt das Motto: „Eine Ohrfeige hat noch niemandem geschadet.“ Immer wieder trat der Kinderschutzbund bundesweit mit Vorträgen für eine gewaltfreie Erziehung ein, veranstaltete Kampagnen, sprach im Bundestag vor. Im Jahr 2000 trat das Gesetz zur Ächtung von Gewalt in der Erziehung in Kraft.
2002 wurde Irene Johns zur Vorsitzenden des Kinderschutzbundes Schleswig-Holstein gewählt, dem heute rund 3.000 Mitglieder in 28 Orts- und Kreisverbänden angehören. 2010 wurden Teile der UN-Kinderrechtskonvention in die schleswig-holsteinische Landesverfassung aufgenommen, etwa das Recht auf gewaltfreie Erziehung, Bildung und soziale Sicherheit. „Was immer noch fehlt, ist das Recht auf Beteiligung. Kinder sollten bei allen Gesetzesvorhaben mitreden dürfen, die sie betreffen“, findet Johns.
Erwachsene könnten Kindern ruhig mehr zutrauen. Schon Grundschüler hätten zu vielen Themen eine klare Meinung. „Die Beteiligung von Kindern ist aber leider meistens da zu Ende, wo Erwachsene Macht abgeben müssten“, so Johns.
Die Situation von Kindern in Deutschland sei heute deutlich besser als vor 40 Jahren. Sie hätten mehr Rechte und seien mehr im Fokus. Gleichzeitig seien viele Kinder immer noch Gewalt und Vernachlässigung ausgesetzt. Nach der Corona-Pandemie stiegen die Fallzahlen wieder. 2022 gab es in Schleswig-Holstein 1.674 Fälle der Kindeswohlgefährdung, 2019 waren es etwa 1.500 Fälle.
Auch der Kampf gegen Kinderarmut wird nach Meinung von Johns eine große Aufgabe bleiben. Jedes fünfte Kind im Norden lebe in Armut, was große Auswirkungen auf Bildung und gesellschaftliche Teilhabe habe. „Darauf brauchen wir bessere Antworten.“
Sie sei nicht amtsmüde, sagte die Kielerin im Hinblick auf ihren Ruhestand. Aber es sei Zeit für einen Generationenwechsel. „Ich werde mich weiter für die Rechte von Kindern engagieren, aber ich freue mich auch darauf, nun mehr Zeit für meine Familie zu haben.“