Greifswald. Im Herbst 2021 sollte sie eröffnen: die Greifswalder Außenstelle des Landeskirchlichen Archivs in Kiel. Ein Archivar oder eine Archivarin sollte im Auftrag der Nordkirche die wichtigsten Unterlagen der pommerschen Landeskirche von 1945 bis 2012 endlich wieder vor Ort zugänglich machen, für Kirchenhistoriker und andere. „Das wäre so wichtig“, sagt Kirchenhistoriker Irmfried Garbe, Experte für pommersche Geschichte.
Doch jetzt, fast ein Jahr später, ist von der Zweigstelle nichts zu sehen – was nicht nur Kirchenhistoriker irritiert. „Ein Unding“, schimpft etwa der Greifswalder Arzt Hinrich Ballke, der zu einer Pastorendynastie der Region gehört. „Das Archivgut ist unsere Geschichte, unsere Seele“, sagt er. „Die geht immer weiter verloren. Wieso passiert da nichts?“
Ausschreibung erfolglos
Von der Nordkirchen-Leitung und dem Landeskirchlichen Archiv in Kiel war bis Redaktionsschluss keine Antwort zu bekommen – wegen Urlaub, wie es hieß. Das Landeskirchenamt aber teilte mit: Die Räume im Karl-Marx-Platz 16, die fürs Archiv vorgesehen waren, seien inzwischen saniert, Möbel gebe es auch, aber die Decke des denkmalgeschützten Hauses könne schweres Archivgut gar nicht tragen. Und die auf zwei Jahre befristete Stelle für einen Archivar habe man dreimal erfolglos ausgeschrieben. Sie könne „nicht besetzt werden“.
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Die Landesbischöfin greift ein
Kein Raum, kein Personal. Das pommersche landeskirchliche Archivgut, unter anderem mit Akten von Landessynoden und dem Konsistorium, liegt also weiter in Schwerin und Hamburg – viele Kilometer von Greifswald entfernt. „Das macht die Forschung wahnsinnig umständlich“, sagt Garbe.
Auch die pommersche Flüchtlingsbeauftragte Christine Deutscher, die als Theologiestudentin eine Masterarbeit über die Situation von Frauen in Pommern zum Ende des Zweiten Weltkrieges schreiben will, kennt das Problem. Sie würde gern nachlesen was auf der ersten Pommern-Synode nach dem Krieg verhandelt wurde und welche Rolle Anna Ohnesorge spielte. Aber im Landeskirchlichen Archiv in Schwerin habe man ihr gesagt, diese Dokumente lägen in Hamburg und seien nicht zugänglich. „Das wirft mir erst mal einen Knüppel zwischen die Beine.“
Dabei ist eine Greifswalder Außenstelle des Archivs im Einigungsvertrag zur Nordkirche festgeschrieben – ohne genauere Angaben. Garbe hat inzwischen eine Liste des Archivguts erstellt, das dauerhaft dort liegen sollte: Akten etwa, die zur Geschichte noch existierender Institutionen wie des Kirchenmusikinstituts oder des Hauses der Stille gehören. Diese Liste sei größtenteils bewilligt worden, sagt er. „Inzwischen fragen wir uns aber, ob die Zweigstelle von den entscheidenden Leuten gewollt ist.“ Wenn man die Archivaren-Stelle nur befristet auf zwei Jahre ausschreibe, seien fehlende Bewerbungen ja nicht so überraschend.
Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt, begeisterte Kirchengeschichtlerin, gilt als klare Befürworterin der Zweigstelle. Bei einer Veranstaltung in Greifswald hatte sie vor Kurzem ein Grußwort verlesen lassen, in dem es hieß: Es „bedrücke“ sie, „dass die Arbeiten daran „kaum vorankommen“. Eine regionale Identität in der Nordkirche ausbilden zu können, sei wichtig. Und die Akten stünden für ein Stück Heimat.
Aus Bischofsvilla ausgelagert
Das pommersche landeskirchliche Archivgut war 2014 wegen Feuchtigkeit aus der Greifswalder Bischofsvilla ausgelagert worden. Seit 2018 liegt der zentrale Aktenbestand des pommerschen Konsistoriums in Schwerin: 200 laufende Meter. Weitere 500 laufende Meter Akten lagern in Hamburg.