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Kaum Hilfen für männliche Gewaltopfer

Häusliche Gewalt nimmt immer stärker zu, doch es mangelt an Hilfen. In Hannover entsteht jetzt die zweite Schutzwohnung für Männer.

Sie helfen Männern, die von Gewalt betroffen sind: Wolfgang Rosenthal (l.) und  Walter Dinninghoff von der Männerwohnhilfe in Oldenburg
Sie helfen Männern, die von Gewalt betroffen sind: Wolfgang Rosenthal (l.) und Walter Dinninghoff von der Männerwohnhilfe in OldenburgMännerWohnHilfe Oldenburg

Die eigenen vier Wände sollten eigentlich sicher sein. Doch sie sind es immer seltener. „Seit Corona ist die häusliche Gewalt enorm gestiegen“, sagt Steffen Stubenrauch-Kämpfe vom Männerbüro Hannover. Von der zunehmenden Gewalt seien Frauen und Kinder betroffen, in zunehmendem Maß jedoch auch Männer, betont der Sozialpädagoge. „Wie Frauen brauchen sie einen sicheren Rückzugsort, Beratung und Zuspruch. Diese speziellen Hilfen sowohl für männliche Täter wie für Opfer müssen in Niedersachsen massiv ausgebaut werden.“

Die Zahlen alarmieren. Im Jahr 2023 hat die Polizei in Niedersachsen 29 875 Fälle häuslicher Gewalt registriert. Dazu gehörte Partnerschaftsgewalt, aber auch familiäre Gewalt, darunter 3051 gefährliche und schwere Körperverletzungen. Insgesamt ist das eine Zunahme von 10,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

„Wir kriegen von allen Polizeieinsätzen bei der Partnerschaftsgewalt in der Region Hannover Mitteilung“, erzählt der Geschäftsführer des Männerbüros, das sich seit 1996 gleichermaßen um männliche Täter wie Opfer in der Region Hannover kümmert. Laut einer Dunkelfeldstudie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen ist rund jeder zweite Mann mindestens einmal in seinem Leben von Partnerschaftsgewalt betroffen.

Männliche Gewaltopfer holen sich seltener Hilfe als Frauen

Wichtig sei die „proaktive Ansprache“, erklärt Stubenrauch-Kämpfe. „Männer holen sich seltener Hilfe als Frauen, weil es oft nicht in ihr Rollenbild passt.“ Deswegen habe das Männerbüro allein im vergangenen Jahr 1405 Betroffene angeschrieben und 580 telefonische Beratungen durchgeführt. Daneben habe es Gruppen- und Einzelangebote sowie Trainingskurse angeboten. Doch um den Schutz der männlichen Opfer zu verbessern, seien weitere Unterkünfte für Männer nötig, betont Stubenrauch-Kämpfe.

In Niedersachsen gibt es bisher nur ein Schutzangebot für betroffene Männer, es liegt im Norden von Oldenburg. „Das muss man sich wie eine Ferienwohnung vorstellen“, sagt Walter Dinninghoff vom Verein Männerwohnhilfe in Oldenburg, den er zusammen mit anderen Männern vor 25 Jahren gegründet hat. „Wir unterstützen Männer bei der Haushaltsführung, bieten Schutz und Beratung“, erzählt der Sozialpädagoge. Mehr als 150 Männern habe der Verein bisher ein sicheres Dach über dem Kopf bieten können.

Gewalt gegen Männer ist zu wenig im Blick

Die Wohnung, aber auch das Beratungsangebot von „Mann zu Mann“ sieht Dinninghoff nicht als Konkurrenz zu vergleichbaren Angeboten für Frauen. „Wir blenden die Gewalt gegen Frauen nicht aus“, betont Dinninghoff. Sie sei vielmehr ein Grund für das Engagement des Oldenburger Vereins. „Wir wollen andere Formen der Auseinandersetzung fördern, wenn Männer und Frauen in Krisen stecken.“ Daher sei es auch nötig, eine flächendeckende Versorgung von Männern in Krisensituationen sicherzustellen. „Die Gewalt gegen Männer ist immer noch nicht genügend im Blick.“

Doch es gibt gute Nachrichten: Eine zweite Schutzunterkunft für maximal drei Männer sei jetzt in Hannover in Planung, kündigt Stubenrauch-Kämpfe an. „Wir hoffen, dass wir im Spätsommer fertig sind. Denn wir gehen von einer hohen Nachfrage aus.“

Männer mit Gewalterfahrung können sich an das Hilfetelefon unter 0800/1239900 wenden.