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Kammerdirektor: Erbbaurecht ist nicht per se ein soziales Instrument

Es ist ein Konflikt, der sich in Niedersachsen seit Jahren zuspitzt: Günstige Erbbauverträge aus der Nachkriegszeit laufen aus. In den neuen Verträgen passen Grundbesitzer wie Kommunen und Kirchen den Erbbauzins an die extrem gestiegenen Bodenpreise an – und überfordern Hauseigentümer damit oftmals finanziell. Aus ehemals kirchlichem und klösterlichem Besitz stammt auch der Boden, den die Klosterkammer Hannover verwaltet, eine Behörde des Landes Niedersachsen und mit rund 17.000 Erbbaurechten der größte Erbbaurechtsgeber in Deutschland. Im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) ordnet Kammerdirektor Matthias Nagel die Entwicklung ein. Nagel ist außerdem Geschäftsführer des Deutschen Erbbaurechtsverbandes.

epd: Herr Nagel, der Erbbauzins ist an den Bodenpreis gekoppelt. Warum sind die Bodenpreise in manchen Städten so in die Höhe geschossen?

Matthias Nagel: Bis 1961 hatten wir in der Bundesrepublik einen gesetzlich festgelegten Bodenwert von 4 DM pro Quadratmeter. Viele Erbbaurechte, die bis zu diesem Zeitpunkt mit Laufzeiten von 70 bis 99 Jahren begründet wurden, sind also zu einem künstlich niedrig gehaltenen Bodenwert abgeschlossen worden. Danach haben sich die Bodenpreise durch die positive wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland nach oben entwickelt. Weitere Schübe gab es durch die Wiedervereinigung, und in den letzten zehn Jahren durch die sehr niedrigen Bauzinsen. Die Immobilienpreise wurden deutlich in die Höhe getrieben, was letztlich auf den Bodenwert und die Erbbaurechte durchschlägt.

epd: Erbbaurechte wurden in der Vergangenheit auch vergeben, damit ärmere Menschen sich ein Haus leisten können. Stehen massiv steigende Erbbauzinsen nicht im Widerspruch dazu?

Nagel: Zunächst will ich mit der Legende aufräumen, dass das Erbbaurecht per se nur als soziales Instrument eingesetzt worden ist. Das ist auch ein Grund, warum man Erbbaurechte einsetzt. Aber die wenigsten der bestehenden Erbbaurechte sind aus sozialen Gründen vergeben worden. Es ging auch darum, gerade nach dem Ersten, aber auch nach dem Zweiten Weltkrieg schnell Wohnraum zu schaffen oder Bauland zur Verfügung zu stellen. Nach dem Krieg war das Erbbaurecht ein guter und oftmals der einzige Weg, um Wohnraum zu schaffen. Der soziale Aspekt spielt dabei sicherlich eine Rolle und dies kann er auch heute bei einzelnen Projekten sein, bei ganz vielen Erbbaurechtsvergaben aber überhaupt nicht. Dort wird das Erbbaurecht als Vermögensinstrument eingesetzt.

epd: Hätte die Politik angesichts der Bodenpreis-Explosion in begehrten Regionen reagieren müssen, um größere soziale Härten abzufedern?

Nagel: Wir haben eine freie Marktwirtschaft, daher ist immer die Frage, wo Gegensteuern tatsächlich sinnvoll ist. Aber ja, ich sehe eine Aufgabe der Politik darin, die Schaffung gerade bezahlbaren Wohnraums zu ermöglichen.

epd: Einige Erbbaurechtsnehmer in Lüneburg, die auf Klosterkammergrund wohnen, werden den Erbbauzins nach dem Auslaufen ihrer Verträge nicht zahlen können. Sind hier Lösungen in Aussicht?

Nagel: Wir haben schon seit vielen Jahren verbesserte Konditionen für Erbbaurechtsnehmer, wenn sie vorzeitig den Vertrag erneuern. Außerdem überlegen wir aktuell, wie wir gerade in Hochpreisgebieten wie Lüneburg Lösungen entwickeln können, die den Stiftungsinteressen nicht zuwiderlaufen, mit der wir aber den Erbbaurechtsnehmern entgegenkommen könnten. Ich bin mir sicher, dass wir eine vernünftige Regelung finden werden. Das wird natürlich nichts daran ändern, dass gerade in diesen Gebieten der Steigerungssatz erheblich bleibt, wenn man aktuell einen sehr günstigen Erbbauzinssatz hat.