Frankfurt. Liebe. Ganz viel Liebe. Das ist die Hauptzutat für den perfekten Hummus. Jedenfalls, wenn man Mordechai „Moti“ Barak und Ilan Aldema danach fragt. Ein halbes Jahr hat der 46-jährige Ilan an seinem Hummus-Rezept gefeilt. Eigentlich erstaunlich, wo die Paste doch im Wesentlichen aus Kichererbsen und Tahini besteht. Es geht eher um die optimale Konsistenz, erklärt Ilan. Und die Zutaten natürlich. Wenn die beiden im Supermarkt Hummus in Plastikdosen im Kühlregal sehen und die erste Zutat „Zucker“ heißt, dreht sich ihnen der Magen. In ihrem Hummus landen nur Kichererbsen, Sesampaste, etwas Öl und Knoblauch, wie die Frankfurter Gastronomen betonen.
Der Erfolg gibt ihnen recht. Das Café Morcolade in Frankfurt-Bornheim ist eine kleine Institution. Beste Bewertungen im Netz, auf der Reiseplattform „Tripadvisor“ ist es ganz oben platziert, Follower im vierstelligen Bereich auf Facebook und auf Instagram. Dagegen kann auch Corona nicht viel anrichten. Moti vermisst zwar das rege Treiben im Café und im Außenbereich, doch die Geschäfte laufen weiterhin. Alles ist „to go“ erhältlich. Backwaren wie das „Tel Aviv Brötchen“ und der „Israel Cheesecake“ gehen weiterhin mehrfach am Tag über die Theke.
Menschen schätzen die gesunden Zutaten
Tatsächlich erlebt israelisches Essen derzeit einen Boom. Die Levante-Küche, zu der auch die israelische zählt, war sogar ganz offiziell der Food-Trend 2018. Seit einigen Jahren bieten viele Restaurants und Cafés Hummus, Falafel und andere Spezialitäten aus Israel an.
Das beobachtet auch Johannes Becke. Er ist Politikwissenschaftler und Inhaber des Ben-Gurion-Lehrstuhls für Israel- und Nahoststudien an der Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg. Seine Vermutung: „Ich sehe da zwei Elemente, die viel mit der Frage nach der richtigen Ernährung zu tun haben: Erstens sind Hummus und Falafel vegetarisch (im Gegensatz etwa zur relativ fleischlastigen deutsch-türkischen Imbisskultur) und zweitens werden sie als Teil der Mittelmeer-Küche wahrgenommen, die als besonders gesund gilt.“ In seinem Podcast „Mekka und Jerusalem“ widmete er dem Thema kürzlich eine eigene Folge.
Als Levante bezeichnet man die Länder der östlichen Mittelmeerküste. Dazu zählen die Staaten Jordanien, Syrien, Libanon und Israel. Viel frisches Gemüse und aromatische Gewürze wie Kreuzkümmel und Kardamom kennzeichnen die Küche.
„Wir bieten eine deutsch-israelische Fusion-Küche an“, erklärt Moti, der 2009 von Israel nach Deutschland kam. Gekommen wegen eines Jobs bei einer israelischen Fluggesellschaft, geblieben wegen der Liebe. Sein Kumpel und Geschäftspartner Ilan kam wegen der Liebe und blieb wegen des Jobs. „Und auch wegen der Liebe“, ergänzt der junge Mann und lacht.
Fusionsküche meint die Kombination unterschiedlicher Esskulturen und Kochkünste sowie die Vermischung klassischer Regional- und Nationalküchen. Die „New Israeli Cuisine“ wurde in Restaurants und Imbissbuden von Tel Aviv und Jerusalem erfunden, kam dann über Weltstädte wie London oder New York nach Deutschland. Vor allem in Berlin haben sich viele Köche niedergelassen. Die Hauptstadt gilt als Sehnsuchtsort für junge Israelis. Von den rund 14 000 gemeldeten israelischen Staatsangehörigen (Stand: 2017) sind die meisten in der Hauptstadt gemeldet. Über die Jahre ist dort eine lebendige Gemeinschaft entstanden – mit einem entsprechenden Bedarf an Treffpunkten, wo das Essen so schmeckt wie zu Hause.
Auch Moti und Ilan holen sich so ein wenig Heimatgefühl in die Mainmetropole. Vor Corona waren sie ungefähr einmal im Jahr in Tel Aviv. Familie und Freunde besuchen. Das fällt zurzeit aus.
Ihre Gäste sind experimentierfreudig. Und zwar Jung und Alt, wie die beiden betonen. „Einmal waren ein paar ältere Damen hier, 70 plus. Sie haben Hummus bestellt. Sie wussten nicht, was sie damit machen sollen. Ich bin einfach zu dem Tisch gekommen, hab ein Stück Pita genommen, in den Hummus rein, gegessen und gesagt: So isst man Hummus.“ Seitdem kämen die Frauen regelmäßig ins Morcolade.
Ihre Kundschaft sei bunt gemischt. Jede Religion, jede Hautfarbe. „Ich hab‘ auch einen guten Kunden, der ist Marokkaner, Muslim. Der sagt: Bei uns hab ich nicht so guten Hummus gegessen“, erzählt Moti. Antisemitismus hätten die Kumpels noch nicht erlebt. Sehr wohl aber „Antihummusismus“. Beide lachen. Gemeint ist die Haltung von Menschen, die Hummus ablehnen. Wenn sie ihn dann probieren, sind die meisten dann aber doch überzeugt, sagt Moti und grinst.
„Essen verbindet Menschen“, sind Moti und Ilan überzeugt. Moti findet sogar: Essen schafft Frieden. Wenigstens im Kleinen. „Solange Menschen kochen und essen, sind sie beschäftigt. Alle sitzen da und genießen es einfach.“