Hasserfüllte Kommentare im Netz, sogenannte Hate Speech, brauchen eine christliche Antwort. Das Projekt „NetzTeufel“ der Evangelischen Akademie zu Berlin hat diese vergiftete Kommunikation analysiert. Und weiß, was man ihr entgegensetzt.
VonTimo VersemannDigitale Räume werden von manchen Menschen als fiktive Welten abgetan. Doch laut der aktuellen Onlinestudie von ARD und ZDF nutzen rund 62 Millionen Menschen ab 14 Jahren in Deutschland regelmäßig Onlinedienste. Digitale Lebenswelten sind Teil unserer Wirklichkeit. Sie fordern uns theologisch heraus, genauso wie Urlaub, Krankheit und andere Teile des Lebens. Spätestens wenn die Würde eines Menschen verletzt wird, die allen gleichermaßen durch die Schöpfung verliehen ist, müssen wir als Kirche handeln.
In unserer Analyse der sozialen Medien haben wir danach geschaut, ob es sich wiederholende erzählerische Bausteine gibt, mit denen im Namen des christlichen Glaubens die Abwertung von Personengruppen legitimiert wird. Wir haben herausgefunden, dass das verbindende Element in vielen Hasskommentaren die Konstruktion von Angstbildern ist, die zum Teil eine Endzeitstimmung beschwören. Es geht immer gleich um alles: Die gesamte Gesellschaftsordnung ist angeblich in Gefahr, die Kirche oder Institution der Ehe. Und wo große Gefahr droht, so die Logik, darf polemisiert und skandalisiert werden. Bei diesen Angstbildern bleibt wenig Raum für sachliche Argumente, für das biblische „Fürchte Dich nicht“ oder für Abrahams und Sarahs Glauben, der da, wo keine Hoffnung war, auf Hoffnung hin glaubte.
Unsere Analyse zeigt, wie der christliche Glaube in den sozialen Medien benutzt wird, um gleichgeschlechtlich liebende Menschen zur Bedrohung zu erklären, oder wie aus dem Heilsversprechen Jesu die Verachtung jeder anderen Religion abgeleitet wird. Ein vermeintlich einheitlicher und per se gewaltbereiter Islam wird dämonisiert. Dass auch Christ*innen im Namen des Glaubens Gewalt verübt haben, wird ausgeblendet. Die so geschürte Atmosphäre der Angst nimmt die Möglichkeit der konkreten Kritik und verhindert jeden Dialog mit den einzelnen Ausprägungen des Islams.
In Seminaren und Workshops suchen wir nach Formen gelebter Nächstenliebe im Netz, denen wir das Kunstwort „HopeSpeech“ (frei übersetzt: Hoffnungs-Rede) gegeben haben. Alle Menschen können ihren Teil dazu beitragen, dass Hope- Speech spürbar wird. Oft reicht schon ein einziger Klick oder ein kurzer Kommentar: ein „Gefällt mir“-Daumen für Menschen, die sich für Obdachlose oder Geflüchtete engagieren. Oder ein Kommentar, der Solidarität zeigt mit einer Person oder einer Gruppe, die beleidigt wurde.
Neben dem beherzten Eintreten gegen Diskriminierung dürfen wir die eigene frohe Botschaft nicht aus den Augen verlieren. Viele Menschen suchen nach guten Formen, den christlichen Glauben digital zu vermitteln und das Gemeindeleben zu stärken. Mit ihnen gemeinsam können wir die digitale Revolution gestalten, die sich in unserer Gesellschaft vollzieht. Und wir müssen es tun, wenn wir ihr nicht wehrlos ausgeliefert sein wollen.
Wie kann das konkret aussehen? Ich möchte auf drei inspirierende Beispiele aus der EKBO verweisen: Vikarin Theresa Brückner aus Frohnau berichtet als @teresaliebt in Wort und Bild über Glaube, Kirche und Familie. Die Evangelische Jugend im Kirchenkreis Charlottenburg- Wilmersdorf experimentiert bei #OMG_Berlin mit Instagram-Gottesdiensten. Und im Konsistorium hat die neue Pfarrerin für den digitalen Raum, Stefanie Hoffman, auf Twitter bekannt als @pfarr_mensch, ihren Dienst angetreten.