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Geschichtsprojekt “Lernort Kislau” nimmt Gestalt an

Der Lernort Kislau auf dem Gelände des früheren badischen Konzentrationslagers in Bad Schönborn kommt. Davon ist die wissenschaftliche Mitarbeiterin des gleichnamigen Vereins aus Karlsruhe, Andrea Hoffend, überzeugt. „Unsere Architekten gehen davon aus, dass der Neubau im Herbst 2026 bezogen werden kann“, sagte sie bei der Vorstellung der Baupläne am Donnerstag in Bad Schönborn (Kreis Karlsruhe).

Im Dezember 2024 hatte das Land Baden-Württemberg 1,8 Millionen Euro für das Gebäude der geplanten Erinnerungs- und Bildungsstätte zugesagt. Mit dem Geld soll das rund 470 Quadratmeter umfassende Gebäude östlich der historischen Schlossanlage in Holzständerbauweise errichtet werden. Für die Gestaltung der Innenausstattung, dazu gehört der Ausstellungsparcours, seien weitere rund 700.000 Euro erforderlich, die über Spenden finanziert werden sollen, sagte Hoffend dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Der Karlsruher Verein setzt sich seit 2012 für einen zentralen Gedenkort im badischen Landesteil ein. Schloss Kislau sei der richtige Ort dafür, betonte die Historikerin. Das Konzentrationslager wurde 1933/34 in der ehemaligen Schlossanlage Kislau in Bad Schönborn eingerichtet und später als andere frühe Lager, erst 1939, aufgelöst.
Kislau war das einzige KZ in Baden. „Alle Häftlingsgruppen liefen hier durch“, haben Hoffend und ihr Team erforscht: Politische Gefangene, rassistisch Verfolgte, Zeugen Jehovas, sogenannte Asoziale, insgesamt 1.500 Inhaftierte an der Zahl. Viele Gefangene wurden von Kislau nach Dachau und in andere Vernichtungslager verschleppt.

Der frühere badische Innenminister (SPD) Ludwigs Marum wurde in Kislau ermordet. Bis heute erinnert eine Stele an seinen gewaltsamen Tod. „In den frühen Lagern fing das Unrecht an, das den Boden für den Weg nach Dachau bereitete“, erklärt Hoffend ihre Motivation, den Erinnerungsort mit einem Bildungsauftrag zu versehen. „Geschichte begreifen, Demokratie erleben“ lautet passend das Motto des Lernorts Kislau.

Mit zwei mobilen Ausstellungen tourt der Verein bereits durchs Land: Das interaktive Geschichtslabor „Wo fängt Unrecht an?“ wendet sich vor allem an junge Menschen, Schulen und Vereine. Die Wanderausstellung „Auftakt des Terrors – Frühe Konzentrationslager im Nationalsozialismus“ macht die Geschichte des Nationalsozialismus für ein breites Publikum greifbar.

Bad Schönborns Bürgermeister, Klaus Detlef Huge, hob die Bedeutung des Vorhabens, Geschichte und Demokratie zu vermitteln, gerade in der heutigen Zeit hervor. „Wir leben in einer Phase, in der das christliche Menschenbild wieder hinterfragt wird“, sagte er. Der Weg in die Diktatur habe sich „schleichend“ vollzogen, betonte die Pfarrerin der evangelischen Kirchengemeinde Bad Schönborn-Kronau, Luise Helm. „Unter dem Schutzhafttitel wurde in der Bevölkerung eine Akzeptanz für Lager allgemein geschaffen“, sagte Helm. Sie wurden sozusagen das neue „Normal“.

Tatsächlich ging die „Schutzhaft“ mit einer Entrechtlichung der Inhaftierten einher. „Sie hatten keine rechtliche Handhabe“, weiß Hoffend. Demokratie jedoch sei mit Rechtsstaatlichkeit unabdinglich verbunden. Sie rechnet damit, dass mehrere 10.000 Besucher im Jahr die Bildungsstätte aufsuchen werden. Anfragen von Schulklassen lägen bereits vor. (0301/09.02.2025)