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Fremd und faszinierend

Unter den Menschen, die nach Deutschland geflohen sind, gibt es auch Christinnen und Christen aus orientalisch-orthodoxen Kirchen. Pfarrerin Susanne Böhringer ruft zu mehr Gemeinschaft auf

Friedrich Stark

Als die Flüchtlinge kamen, entdeckte Susanne Böhringer einen Schatz. Unter den Männern und Frauen, die aus Syrien, dem Irak, Armenien geflohen waren, traf sie viele Christen, die relativ unbekannten Kirchen angehörten; man nennt sie orientalisch-orthodoxe Kirchen (siehe rechts). Und sie merkte: Dieses im Westen fast vergessene Christentum birgt Schätze, die wir wenig wahrnehmen. Schon vorher hatte die westfälische Pfarrerin sich für die weltweite Ökumene interessiert. Jetzt wollte sie es genauer wissen: Wer sind die?
Faszinierend findet Böhringer die uralten Liturgien, die zum Teil noch in aramäischer Sprache, der Sprache Jesu, gefeiert werden. „Wenn man so einen Gottesdienst miterlebt, ist das sehr fremd, eigenartig, aber auch sehr intensiv“, sagt die Pfarrerin. „Für mich ist es das Erleben des Mysteriums des Glaubens – eine Art Vorstufe zum Reich Gottes.“ Auch von berührender Gastfreundschaft erzählt sie und von der „Liturgie nach der Liturgie“, also der Diakonie im Alltag, die in den orthodoxen Kirchen insgesamt in den vergangenen Jahren neu belebt wird. Um noch tiefer einzusteigen in die Tradition dieser alten östlichen Kirchen, absolvierte sie ein Studiensemester am Orientalischen Institut der Universität Halle, wo sie unter anderem ein Buchprojekt über die zerstörte kirchliche Architektur in Syrien mitbetreute (siehe unten).
Gleichzeitig macht sich Susanne Böhringer große Sorgen um diese fremde, faszinierende Glaubenswelt. Denn durch die vielen bewaffneten Konflikte im Nahen Osten sind die Gemeinden der orientalisch-orthodoxen Kirchen stark dezimiert worden. In Syrien etwa, wo Christen vor dem Bürgerkrieg in relativer Ruhe ihren Glauben leben konnten, mussten Zehntausende vor dem Terror des IS, aber auch vor anderen Gruppierungen des Bürgerkriegs fliehen. Die christliche Kultur droht dort ausgelöscht zu werden. Im Irak sieht es ähnlich aus, und auf dem Gebiet der Türkei wurden im Sommer viele Kirchengebäude der syrisch-orthodoxen Christen konfisziert. „Die arabischen Christen verschwinden aus der gesamten Region, und die Welt bekommt es nicht mit“, fürchtet Böhringer.
In westlichen Ländern finden sich inzwischen syrische, armenische oder koptische Christen zu Gemeinschaften zusammen und versuchen, ihren Glauben wie gewohnt weiterzuleben. Dafür fordert Böhringer mehr Aufmerksamkeit und Unterstützung von unseren Kirchen und Gemeinden. „Manchmal habe ich das Gefühl, dass wir stärker auf die muslimischen Gruppen zugehen als auf die Christen – dabei wäre der Schritt doch hier viel kleiner“, meint sie. Zum Beispiel das gegenseitige Einladen in einen Gottesdienst, um einander besser kennenzulernen und dabei zu sehen: Da gibt es viel Ungewohntes, aber darunter ist doch ein gemeinsames Band im Glauben. Das, so meint Böhringer, könnte das Zusammenleben stärken: „Es wäre schön, wenn wir nicht in erster Linie die Stolpersteine sehen würden, sondern das, was uns gemeinsam trägt.“
Viele der syrisch-orthodoxen Christen zieht es in den ostwestfälischen Raum, weil hier bereits kirchliche Strukturen vorhanden sind; außerdem besteht ein Kloster in Warburg. Für die Kopten ist das Kloster in Brenkhausen mit Bischof Anba Damian ein Zentrum geworden. Eine armenische Gemeinde gibt es in Bielefeld.
An einigen Stellen in Westfalen sieht Susanne Böhringer schon gute Ansätze. So wurde in Herford eine Kapelle an die griechisch-orthodoxe Gemeinde abgegeben; regelmäßig finden hier Begegnungen zwischen orthodoxen und evangelischen Christen statt. Und die ökumenischen Gottesdienste am Pfingstmontag, die an vielen Orten zur Tradition geworden sind, seien ebenfalls eine  gute Gelegenheit, sich als Schwestern und Brüder im Glauben kennenzulernen, meint die Pfarrerin.