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Frankfurter Städel zeigt Holbein und die Renaissance im Norden

Die Renaissance als Zeitenwende der Kunst lässt zunächst an Italien denken. Dass sie sich nicht darin erschöpft, sondern in Deutschland eine eigenständige Blüte von internationalem Rang bildete, ist Gegenstand der neuen Schau des Städel-Museums in Frankfurt am Main. Die Ausstellung „Holbein und die Renaissance im Norden“ biete einen „fulminanten Überblick“ über die neue Kunst, die sich ausgehend von Italien und beeinflusst von den Niederlanden mit dem Zentrum in Augsburg entwickelte, sagt der Direktor Philipp Demandt.

Im Mittelpunkt der Schau vom 2. November bis 18. Februar 2024 stehen die Augsburger Künstler Hans Holbein der Ältere (um 1464-1524), Hans Burgkmair der Ältere (1473-1531) und Hans Holbein der Jüngere (1497-1543), deren wichtigste Gemälde, Zeichnungen und Druckgrafiken laut Demandt erstmals gemeinsam zu sehen sind. Sie werden durch Werke weiterer deutscher, italienischer und niederländischer Meister der Zeit wie Albrecht Dürer, Donatello, Francesco Melzi, Jan van Eyck oder Hugo van der Goes ergänzt. Die Ausstellung führt 180 bedeutende Kunstwerke von 1480 bis 1530 aus internationalen Museumssammlungen zusammen.

Augsburg war um 1500 „der Hotspot der künstlerischen Entwicklung“ gewesen, wie Kurator Jochen Sander erläutert. Das Handels- und Bankenzentrum der „oberen Landen“ des Deutschen Reichs stellte nördlich der Alpen das Ende der Seidenstraße dar, deren Handelswege vom Fernen Osten über das Mittelmeer nach Venedig und von dort über die Alpenpässe führten. Die Finanzkraft von Unternehmen wie der Fugger und Welser und die häufigen Treffen der politischen Elite dort unter Kaiser Maximilian II. bildeten den Nährboden für erstklassige Kunst. Dies traf zusammen mit dem neuen Menschenbild des Humanismus und der Reformation, die die Rolle des Individuums und dessen Eigenverantwortung hervorhoben.

In einer „kurzen Phase unglaublicher Freiheit“ hätten Augsburger Künstler die althergebrachte Ikonografie infragegestellt, erklärt Sander. Vernetzt mit den anderen wirtschaftlichen und künstlerischen Zentren der Zeit, Venedig und Antwerpen, hätten Künstler in Augsburg „das Beste der Kulturen“ hervorgebracht. Die Exponate der Ausstellung zeigen die Entwicklung innerhalb einer Generation bis zu Hans Holbein d. J., der als „perfektes Produkt der Augsburger Kunst“ neben Dürer das bedeutendste Genie der deutschen Renaissance sei.

Die Ausstellung nimmt ihren Beginn mit Auftragsarbeiten der Familie Fugger. Diese beauftragte die hervorragendsten Künstler für Porträts, Büsten und die Gestaltung ihrer Grabkapelle, dem frühesten erhaltenen Bauwerk der Renaissance im Norden. Es verbinde die beste spätgotische Ausfertigung eines Netzgewölbes mit den neuen Formen und Ornamenten der venezianischen Kunst, erklärt Kurator Sander.

Auf die politische Aussage der neuen Kunst verweist eine grünlich schimmernde, lebensgroße Bronzefigur des Neptun mit Dreizack und Fisch von Sebastian Loscher (1482/83-1551). Der protestantisch gewordene Rat der Stadt Augsburg habe 1536 beschlossen, die Brunnenfigur des Heiligen Ulrich, Gründer des Bistums Augsburg, durch den antiken Meeresgott zu ersetzen, berichtet Sander. Der Protest des Bischofs bei Kaiser Maximilian I. über die antikatholische, heute älteste an der Antike orientierte Bronzeskulptur nördlich der Alpen habe keinen Erfolg gehabt.

Die Gemälde, Zeichnungen und Skulpturen der Zeit zeigen vornehmlich religiöse Werke wie Altarbilder oder Porträts. Mit Beginn der neuen Zeit ließen sich erstmals auch Bürger porträtieren. Die Künstler um 1500 entwickelten die Kunstfertigkeit einer individuellen, höchst lebensechten Darstellung. Als herausragende Meister der deutschen Renaissance hebt die Ausstellung Werke Hans Holbein d. Ä. und Hans Burgkmair d. Ä. hervor.

Ihre Vollendung habe die neue Kunst mit Hans Holbein d. J. gefunden, der die Einflüsse aus Italien wie von Leonardo da Vinci und aus den Niederlanden wie von Jan van Eyck aufgenommen habe, sagt Kurator Sander. Höhepunkt der Ausstellung sei demnach die Präsentation dessen beider Meisterwerke, der Solothurner Madonna (1522) aus dem Kunstmuseum Solothurn und der Madonna des Bürgermeisters Jacob Meyer zum Hasen (1526-1528) aus der Sammlung Würth. Holbein d. J. fand zu Lebzeiten angemessene Anerkennung: Er wurde Hofmaler von König Heinrich VIII. von England.