Die Geschäftsführerin des Flüchtlingsrates NRW, Birgit Naujoks, ist enttäuscht von der die Asyl-Politik der schwarz-grünen Landesregierung. Von dem von der Koalition angekündigten Paradigmenwechsel sei nach anderthalb Jahren wenig zu spüren, sagte Naujoks am Sonntag beim „Asylpolitischen Forum“ der Evangelischen Akademie Villigst in Schwerte. Statt der angekündigten Verbesserungen im Bleiberecht und bei der Einbürgerung setze das Land auf Abschiebung.
So seien von den mehr als 31.100 Menschen, die im vergangen Jahr aus Deutschland abgeschoben wurden, 12.115 aus NRW gekommen, sagte Naujoks. Eine Trendumkehr sei bislang nicht erkennbar, kritisierte sie. Die Pläne für eine Verschärfung der Abschiebehaft lehnte Naujoks ebenso entschieden ab wie die Verlängerung des Ausreisegewahrsams. Eindringlich wandte sie sich gegen die Abschiebung von Jesidinnen und forderte für diese Gruppe mehr Schutz.
Dietlind Jochims, Vorstandsvorsitzende der Ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche (BAG), bezifferte die Zahl der aktuellen Kirchenasyle auf 452 bundesweit. Nach einer Abnahme im Zeitraum von 2028 bis 2022 stiegen die Zahlen wieder an, sagte die Flüchtlingsbeauftragte der evangelischen Nordkirche. Die meisten Menschen, die im Kirchenasyl Zuflucht suchten, kämen aus Syrien und Afghanistan.
In 95 Prozent der Fälle handle es um Asylverfahren nach dem Dublin-Abkommen, die in die Länder in Südosteuropa und zunehmend auch in die baltischen Staaten, nach Polen und nach Schweden abgeschoben werden sollen, so Jochims. Dem Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BMF) warf sie vor, eine Zusammenarbeit oft zu verweigern. Die Behörde halte es nicht mehr für nötig, auf die eingereichten Dossiers der BAG zu Kirchenasylen zu antworten.
Pfarrer Helge Homann, Beauftragter für Zuwanderungsarbeit der Evangelischen Kirche von Westfalen, beklagte in dem Zusammenhang eine Verrohung der Sprache bis weit in die Mitte der Gesellschaft. „Wenn selbst Vertreter einer Volkspartei die Anwendung physischer Gewalt an den Grenzen nicht ausschließen“, sagte er unter Hinweis auf eine Äußerung des früheren Gesundheitsministers Jens Spahn. Der CDU-Politiker hatte im Oktober in einem Gespräch mit einem Online-Portal die Begrenzung von illegaler Migration bereits an der EU-Außengrenze gefordert. Dabei könnte auch physische Gewalt ein mögliches Mittel sein.
Die knapp 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des „Asylpolitischen Forum 2023“ verabschiedeten zum Abschluss der dreitägigen Veranstaltung einstimmig eine Resolution mit dem Titel „Nicht mit uns“. Darin sprechen sie sich gegen eine Auslagerung des Flüchtlingsschutzes in Drittländer aus. Sie fordern die Unterstützung der Seenotrettung „als völkerrechtliche und humanitäre Pflicht“ sowie ein faires Asylverfahren bei der Erstaufnahme und ein integriertes Bleibemanagement. „Wer am Recht auf Asyl rüttelt, höhlt das Fundament unserer Demokratie aus, missachtet die wichtigsten Lehren aus dem Zweiten Weltkrieg und spielt demokratiefeindlichen Kräften in die Hände“, heißt es in der gemeinsamen Resolution.
Das „Asylpolitischen Forum“ wurde veranstaltet von Amnesty International, Flüchtlingsrat NRW, BAG und Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe sowie von der Akademie Villigst und dem Institut für Kirche und Gesellschaft der westfälische Kirche.