Der AfD-Wahlerfolg in Thüringen und Sachsen ist nicht nur Folge einer Protestwahl – davon sind Extremismusforscher überzeugt. Die “antidemokratischen Überzeugungen” dieser Partei seien zu offensichtlich.
Rechtsextremismus-Forscher werten die Ergebnisse der Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen als erschreckend. Der Tübinger Politikwissenschaftler Rolf Frankenberger sagte am Montag auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA): “Dass eine extrem rechte Partei, die gegen Fremde, Jüdinnen und Juden, Europa und alles, was nicht in ihr völkisches Weltbild passt, hetzt, zu einer ‘Volkspartei’ aufsteigt, kann nicht allein durch Protestwahlen erklärt werden.” Dafür seien die “antidemokratischen Überzeugungen” und die inhaltlichen Positionen der AfD “zu offensichtlich”.
“Nationalismus scheint wieder en vogue”, bilanzierte Frankenberger. Er ist wissenschaftlicher Geschäftsführer des Instituts für Rechtsextremismusforschung an der Universität Tübingen – des bundesweit einzigen universitären Institut für Forschungen zu Rechtsextremismus.
Erstmals sei mit der AfD nun “eine extrem rechte Partei bei einer Landtagswahl in der Bundesrepublik Deutschland als stärkste Kraft hervorgegangen”, betonte Frankenberger mit Blick auf Thüringen. Dies sei geschehen, “obwohl oder gerade weil sie und ihr Spitzenkandidat Björn Höcke sich offen in eine völkisch-nationalistische Tradition stellen”.
In dieser völkischen Tradition würden “die fundamentale Menschengleichheit und damit eben auch die Grundsätze der Demokratie negiert”, sagte Frankenberger. Zugleich sei der AfD-Landesverband in Sachsen “nicht weniger nationalistisch”.
Der Leiter der “Dokumentationsstelle Rechtsextremismus” im Generallandesarchiv Karlsruhe, Wolfgang Zimmermann, sprach von einem denkwürdigen Wahltag: “Erschreckend ist: Die AfD wurde nicht aus Protest gewählt, sondern viele Wählerinnen und Wähler taten dies aus inhaltlicher und politischer Überzeugung”, sagte Zimmermann der KNA.
Die parlamentarische Demokratie in Deutschland stehe “vor einer existenziellen Bewährungsprobe”, betonte der Historiker und fügte hinzu: “Die bewährte Berliner Parteienrepublik liegt in Ostdeutschland in Trümmern.” Die historische Erfahrung lehre: “Jetzt müssen die demokratischen Kräfte zusammenstehen. Die Brandmauer darf nicht fallen.” Brandmauer meint die Absage von politischen Parteien, eine Regierungszusammenarbeit mit der AfD einzugehen.
Zimmermann sagte, die Wahlerfolge der AfD stellten “eine Zäsur in der politischen Kultur der Bundesrepublik” dar. Mit Blick auf Thüringen und den dortigen AfD-Landeschef Höcke sagte Zimmermann: “Erstmals ist in einem Landesparlament eine Partei stärkste Kraft, die als gesichert rechtsextremistisch eingestuft ist und deren Vorsitzender offen völkische, antisemitische und geschichtsrevisionistische Positionen vertritt.”
Die “Dokumentationsstelle Rechtsextremismus” leistet nach eigenen Angaben Grundlagenarbeit für die Erforschung des Rechtsextremismus. “Täglich durchkämmen wir eine Flut an Informationen in den sozialen Netzwerken, auf Homepages und in Periodika. Wir analysieren und werten diese aus”, heißt es in der Selbstbeschreibung.