KI verändert die Welt: im Privaten, im Zusammenleben, im Job und in der Forschung. Die Freiburger KI-Expertin Hannah Bast blickt auf die Entwicklungen der vergangenen Monate zurück – und wagt einen Ausblick auf 2024.
Künstliche Intelligenz (KI) wird in den kommenden Jahren unser Zusammenleben radikal verändern – davon ist die Freiburger Informatikerin Hannah Bast überzeugt. “KI wird überall sein, es wird kein Stein auf dem anderen bleiben. Und die Veränderungen haben bereits begonnen”, sagte die Wissenschaftlerin am Donnerstag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Freiburg.
Die Entwicklung der KI-Sprachmodelle wie ChatGPT schritten aktuell mit enormer Geschwindigkeit voran. “Das Unternehmen OpenAI hat ChatGPT vor gut einem Jahr veröffentlicht. Inzwischen kann man sich mit dem Sprachmodell unterhalten, und zwar nicht mit einer abgehackten Computerstimme wie bei der Flughafendurchsage, sondern auf eine von einer menschlichen Stimme nicht zu unterscheidenden Weise.” Andere KI-Modelle erzeugten auch Bilder und Videos.
“Spannend ist, dass die Entwickler derzeit noch gezielt verhindern, dass ChatGPT allzu menschlich klingt. Die zur Auswahl stehenden Stimmen sind bewusst neutral und emotionslos. Bei persönlichen Fragen verweigert ChatGPT die Antwort.” Bast geht davon aus, dass es schon bald möglich sein wird, sich mit den Modellen wie mit einem Menschen zu unterhalten. “Wir werden Beziehungen zu KI-Modellen eingehen. Und wir sollten daher dringend darüber nachdenken, wie wir damit umgehen wollen. Es wird unser Miteinander dramatisch verändern, wenn plötzlich Millionen Menschen im Gespräch oder sogar in Beziehung mit einer Maschine sein werden.”
Als berechtigt beschrieb die Wissenschaftlerin die Sorgen vieler Menschen, dass KI sie am Arbeitsplatz ersetzen könnte. Für viele Berufe werde die KI aber auch ein “Segen sein, als mächtiges Assistenzsystem”. Am wenigsten betroffen seien mit körperlichen Tätigkeiten verbundene Berufe: “Einen Dachdecker-, Haushalts- oder Pflegeroboter wird es auf absehbare Zeit nicht geben.”
Die Debatte um KI, die Jobs übernehmen kann, wird nach Einschätzung von Bast schnell an Schärfe gewinnen. “Vielleicht schon sehr bald, wenn die KI-Modelle die nächste Stufe der Intelligenz erreichen. Entsprechende Gerüchte umwehen das Projekt Q* von OpenAI”, sagte Bast.
Bislang könnten die Sprachmodelle vor allem konkrete, klar begrenzte Probleme lösen und Fragen beantworten. “Wenn ich komplexere Fragen habe, kann ich ChatGPT nur Einzelaspekte bearbeiten lassen. Ich muss den Überblick behalten und planen, welche Einzelschritte nötig sind.”
Wenn die nächste Generation von ChatGPT aber selbst Planungsschritte übernehmen, und damit komplexe Problemlösungsstrategien selbstständig entwickeln könnte, wäre das der nächste Durchbruch. “Vieles spricht dafür, dass dieser Durchbruch bald kommen wird oder er OpenAI mit Q* bereits gelungen ist.”
Dann könnte aus Sicht von Bast bereits der Punkt erreicht sein, an dem KI selbstständig neue Entdeckungen machen kann. “Ich könnte etwa eine mathematische These aufstellen und ChatGPT nach dem Beweis dafür fragen. Das wäre dann eine neue Erkenntnis.”
Regulierung von KI ist laut der Informatikerin ein wichtiges, aber auch sehr heikles Thema. “Europa hat hier eine Vorreiterrolle. Wir müssen die Möglichkeit von Missbrauch minimieren. Es darf gleichzeitig nicht überreguliert werden, auch um kleinere Unternehmen nicht zu benachteiligen. Außerdem entwickelt sich der zu regulierende Gegenstand ständig weiter.”
Dass KI weiter nur in den Händen von Techfirmen wie Google, Microsoft oder OpenAI bleibt, glaubt Bast nicht. “Schon jetzt ist ein ganzer Kosmos von Sprachmodellen entstanden. Ich denke, es wird künftig zwei Gleise geben: KI bei den großen Techgiganten und parallel jedem zugängliche Open-Source-Modelle.”