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Experten befürworten Handyverbot an Schulen

Chatten im Unterricht: Lehrerinnen und Lehrer kennen dieses Phänomen. In vielen anderen Ländern gibt es deshalb Handyverbote an Schulen. Eine Idee auch für Deutschland?

Ablenkend und schlecht für das Sozialleben von Schülerinnen und Schülern: Experten befürworten eine Handyreglementierung an deutschen Schulen. Vorbild dafür seien Länder, die über lange Erfahrung in der schulischen Digitalisierung verfügten.

“Viele skandinavischen Länder, aber auch Kanada oder Neuseeland, die ihre Schulen schon vor Jahren und lange vor uns digitalisiert haben, rudern zurück: Sie haben festgestellt, dass das Ablenkungspotenzial von Handys im Unterricht zu hoch ist”, sagte die Heidelberger Bildungsforscherin Anne Sliwka der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Freitag. “Wir in Deutschland haben dagegen immer noch eine zu wenig durchdachte Digitalisierungsstrategie.”

Sliwka erklärte, durch die ständige Handynutzung könnten sich Kinder nicht mehr auf längere Lesestücke konzentrieren. Das typische schnelle Springen von einer Sache zur nächsten beeinflusse die Konzentrationsfähigkeit, die aber nötig sei, um zum Beispiel Lesen zu lernen – eine Grundkompetenz, die laut Studien immer mehr Kindern in Deutschland schwerfällt.

Zudem bleibe die sozial-emotionale Entwicklung bei dauernder Smartphone-Nutzung auf der Strecke. “Es gibt Kinder, die können anderen nicht mehr so gut ins Gesicht schauen oder auf andere Menschen zugehen, weil sie es nicht gelernt haben”, sagte die Forscherin mit Blick auf stumm vor sich hin daddelnde Kinder in den Schulpausen.

Es gehe ihr nicht darum, die Digitalisierung komplett aus dem Unterricht zu verbannen. “Sie muss aber gezielt und bewusst eingesetzt werden, da wo sie Sinn macht, zum Beispiel für projektorientiertes Lernen”, betonte Sliwka. “Die Sache einfach laufen zu lassen, ist keine Option.”

Ähnlich sieht es der Mediziner Thomas Fischbach, ehemaliger Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ): “Die Faktenlage ist eindeutig: Zu viel kindlicher Medienkonsum führt zu Konzentrationsverlusten, Schlafstörungen, Gewichtszunahme und schlechteren schulischen Leistungen”, so der Solinger Kinderarzt. “Insofern wäre ein Handyverbot an Schulen durchaus sinnvoll.” Es habe nichts mit Medienkompetenz zu tun, “wenn Schüler unter dem Tisch während des Unterrichts irgendwelche Youtube-Videos gucken.”

In einer aktuellen Meinungsumfrage des Insa-Instituts sprachen sich bundesweit 60 Prozent der Befragten laut “Bild”-Zeitung für ein Handy-Verbot an Schulen aus.