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Ex-Justizministerin: Thema Abtreibung kann Spaltungen vertiefen

Die Debatte über eine mögliche Liberalisierung der Abtreibungsfrage ist im Gange. Kommt es zu einer entsprechenden Initiative? Jetzt äußert sich eine frühere Justizministerin dazu – auch mit Blick auf die Gesellschaft.

Das Thema Abtreibung hat nach Einschätzung der ehemaligen Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) ein besonders großes Potenzial, gesellschaftliche Spaltungen zu vertiefen. “Meine Sorge wäre, dass eine solche Kontroverse derzeit nicht zu gesellschaftlichem Frieden führt, sondern noch mehr Konflikt schürte. Und die AfD würde sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, um sich als Partei des Lebensschutzes aufzuspielen.”, sagte sie der “Frankfurter Allgemeinen Zeitung” (Montag).

Nach derzeit geltendem Recht ist ein Schwangerschaftsabbruch rechtswidrig, er bleibt aber bis zur zwölften Schwangerschaftswoche straffrei, wenn vor dem Eingriff eine Beratung stattgefunden hat und ein Beratungsschein ausgestellt wurde. Zwischen Beratung und Eingriff müssen mindestens drei Tage vergehen.

Eine von der Bundesregierung eingesetzte Kommission hatte im April eine Liberalisierung der Abtreibungsgesetzgebung empfohlen. Danach setzt sich das Gremium für eine legale Abtreibung bis zur zwölften Woche ein. An den Empfehlungen hatte es auch Kritik gegeben. Ob es in dieser Legislaturperiode zu einer entsprechenden Gesetzesinitiative im Bundestag kommt, ist ungewiss. Teile der FDP sowie Union und AfD sind für die Beibehaltung der derzeit geltenden Regelungen. Auch die katholische Kirche setzt sich dafür ein.

Leutheusser-Schnarrenberger sagte jetzt, sie habe nicht den Eindruck, dass sich die Bundesregierung die Empfehlungen zu eigen machen wolle. “Es könnte aber im Bundestag einen Gruppenantrag von Teilen der Fraktionen von SPD und Grünen und einigen Abgeordneten aus Oppositionsfraktionen geben, in dem die Empfehlungen der Kommission aufgegriffen werden.”

Sie teile die Annahme nicht, “wonach sich in der Gesellschaft so viel verändert haben soll, dass das Bundesverfassungsgericht nicht bei seiner bisherigen Rechtsprechung bleiben kann”, so die Juristin. Richtig sei gleichwohl, dass in der Gesellschaft seit den 1990er Jahren mehr Debatten über Gleichberechtigung, Antidiskriminierung und Autonomie geführt würden.

In einem Schwangerschaftskonflikt gehe es aber nicht allein um die “Verfügungsmacht über den eigenen Körper”, betonte die Liberale: “In der Zweiheit in Einheit findet das Recht der Frau auf Selbstbestimmung eine Grenze in dem grundgesetzlich geschützten Recht auf Leben des Ungeborenen.”