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Erntedank in den Religionen

Aus der neuen Reihe: Feste und Gedenktage der Religionen

Von Juni Hoppe

„Al hamdu li’llah!“ („Lob sei Gott“; „Gott sei Dank!“) – so lautet oft die Antwort von Muslimen auf die Frage, wie es ihnen geht. Die Verwendung dieser arabischen Redewendung spiegelt wider, wie sehr der Dank an Gott im Islam auch sprachlich seinen Ausdruck in zahlreichen Alltagssituationen findet. Der Fastenmonat Ramadan ist für viele ­Muslime eine besondere Zeit der Reflexion und der Dankbarkeit. Der zeitweilige Verzicht soll die Wertschätzung von Selbstverständlichem anregen. 

Im Englischen heißt Danksagung Thanksgiving – so heißt auch der nordamerikanische Feiertag, der in den USA am vierten Donnerstag des Novembers und in Kanada am zweiten Montag des Oktobers gefeiert wird. Der Ursprung von Thanks­giving ist mit Erntedank verknüpft, doch steht im Vordergrund des Feiertags das Zusammenkommen und gemeinsame Essen mit der Familie.

In Deutschland feiern christ­liche Gemeinden den „Dank für die Ernte“ meist am ersten Sonntag im ­Oktober. Vielerorts wird zum ­Erntedankfest der Altarraum geschmückt mit Erntekronen und Fruchtkörben und im christlichen Gottesdienst Gott für die durch die Ernte erhaltenen Gaben gedankt. Ein Gebot zu Erntedankfesten findet sich in Exodus 23,16: „Und du sollst halten das Fest der Ernte, der Erstlinge deiner Früchte, die du auf dem Felde gesät hast, und das Fest der Lese am Ausgang des Jahres, wenn du den Ertrag deiner Arbeit eingesammelt hast vom Felde.“ 

Beim jüdischen Wochenfest (hebräisch: Schawuot, „Wochen“) sollen 50 Tage nach Pessach (etwa im Mai/Juni) die Erstlingsfrüchte der Felder dargebracht werden. Das Laubhüttenfest (hebräisch: Sukkot „Hütten“ – siehe 3. Mose 23,34) wird hingegen fünf Tage nach Jom Kippur, nach Abschluss der Ernte im Herbst gefeiert und ist somit das zweite jüdische Erntedankfest.

Sukkot ist ein Fest der Freude und der Dankbarkeit. In diesem Jahr, dem jüdischen Jahr 5782, beginnt das Laubhüttenfest am Abend des 2. Oktober. Viele Juden bewahren die Tradition des Festes, indem sie unter freiem Himmel, etwa in ihrem Garten, eine Hütte bauen, die offenen Dächer mit Zweigen decken und dort eine Woche verbringen. Damit wird ausgedrückt, dass das gute Leben mit einem festen Dach über dem Kopf keine Selbstverständlichkeit ist; in Erinnerung an die nach biblischer Überlieferung 40-jährige Wüstenwanderung der Israeliten: „Sieben Tage sollt ihr in Laubhütten wohnen (…), dass eure Nachkommen wissen, wie ich die Israeliten habe in Hütten wohnen lassen, als ich sie aus Ägyptenland führte“ (3. Mose 23,42f).

So können die Festtage auch heute noch eine Gelegenheit sein, das Thema Flucht und Migration in den Vordergrund zu stellen – und diejenigen, die keine gelungene Ernte feiern können, in die eigene Hütte einzuladen.

Juni Hoppe ist ­Vikarin und ­Mitglied im Islam-Arbeitskreis der EKBO.