Über eine mögliche Verlagerung von deutschen Asylverfahren ins Ausland wird weiter diskutiert: Bund und Länder prüfen, geflüchtete Menschen in anderen Staaten unterzubringen. Experten-Meinungen gehen auseinander.
Deutschland prüft in der Migrationspolitik neue Wege – künftig könnten Asylverfahren womöglich im Ausland erfolgen. In dieser Woche könnten sich Bund und Länder darüber austauschen. Widerspruch kommt von Menschenrechtlern, die fordern, auch künftig auf Asylverfahren im Ausland zu verzichten.
Eine Auslagerung von Flüchtlingen und Verfahren würde fatale humanitäre und entwicklungspolitische Folgen haben, erklärten Vertreter von Pro Asyl, Amnesty International, Ärzte ohne Grenzen und Brot für die Welt am Dienstag vor Journalisten.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) plant nach Angaben der Organisationen, am Donnerstag bei der Ministerpräsidentenkonferenz über die Umsetzbarkeit einer Auslagerung von Asylverfahren zu berichten. Im Rahmen eines Prüfauftrags der Ministerpräsidentenkonferenz hat die Bundesregierung entsprechende Anhörungen durchgeführt. Unter anderem die vier Organisationen berichteten als Sachverständige und lehnten das Vorhaben ab. Die Flüchtlingskrise ist aus ihrer Sicht damit nicht zu lösen.
Die Organisationen sehen kein geeignetes Modell, um durch die Verlagerung von geflüchteten Menschen in andere Staaten die Situation für deutsche Behörden zu verbessern. Eine Entlastung der Kommunen ist nach Darstellung der Asylexpertin Sophie Scheytt von Amnesty International nicht zu erreichen. Rechtlich müsse zunächst immer ein Verfahren in Deutschland erfolgen, auch wenn die betroffenen Personen in einen anderen Staat überführt werden sollten. “Das führt dazu, dass wir eine erhebliche Mehrbelastung haben für Behörden”, betonte Scheytt.
Zustimmung zur Verlagerung von Asylverfahren kommt vom Ex-Verfassungsrichter Paul Kirchhof. Er forderte am Dienstag die Auslagerung aus der EU. “Wir sollten über Asylanträge in der Nähe jener Orte entscheiden, von denen die Menschen aufbrechen und fliehen”, sagte Kirchhof in der Katholischen Akademie Freiburg. “Das wäre auch ein wichtiger Beitrag, um das kriminelle Geschäft der Schlepper zu bekämpfen.”
Flüchtende könnten bei Verfahren “in der Nähe der Krisenregionen” schneller erfahren, ob sie eine Perspektive in Europa haben oder nicht, erklärte Kirchhof. Sie müssten sich dann nicht erst auf den gefährlichen Weg in die EU machen.
Als politisches “Wunschdenken” bezeichnete Migrationsreferent Felix Braunsdorf von Ärzte ohne Grenzen die Annahme, dass Auslagerungen von Asylverfahren Effekte auf Fluchtzahlen haben würden. Er sprach von “Scheinlösungen” und plädierte dafür, die humanitäre Hilfe vor Ort in den Staaten zu erhöhen, die viele Flüchtlinge aufnehmen.