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Die Ostergeschichte – von Leid, Tod und Auferstehung

Was uns die Geschichte von Ostern vermittelt und warum es wichtig ist, sie jedes Jahr aufs Neue zu erzählen.

Auferstehung Christi, Gemälde von Szymon Czechowicz (Christ Appearing to the Apostles after the Resurrection), Nationalmuseum Kraków
Auferstehung Christi, Gemälde von Szymon Czechowicz (Christ Appearing to the Apostles after the Resurrection), Nationalmuseum KrakówWikimedia, CC

Weder Osterhasen noch gefärbte Eier bevölkern die Ostergeschichte. Zudem ist vollkommen ungeklärt, wo die eigentlich am Karfreitag bleiben. Vermutlich verstecken sie sich schon einmal. Die Geschichte vom ermordeten Gott zu erzählen, der wieder aufersteht, ist eine der schwierigsten Herausforderungen für die Kirchen. Interreligiös ist sie nicht anschlussfähig und sie hat wenig Verbindendes, ganz im Gegenteil.

Es ist genau diese Geschichte von Leiden, Kreuz und Auferstehung Jesu Christi, die den Kern des christlichen Bekenntnisses bildet. Der bekehrte Ausruf „Mein Herr und Mein Gott“ aus dem Mund des zuvor ungläubigen Thomas ist ein Aufruf an alle, die – noch – nicht glauben. Jeder aufmerksamen Zeitgenossin ist bewusst: Die Zahl derer, die noch nicht, nicht mehr und überhaupt nicht glauben, steigt eher und mit ihr auch die Hürde, diese Geschichte überhaupt zu erzählen. Ihre Schilderungen physischer und psychischer Gewalt geraten in Verdacht, Traumata zu wecken und sind geeignet, mit sogenannten Trigger-Warnungen versehen zu werden.

Ostern in der DDR: Karfreitag war ein Feiertag, Ostermontag nicht

Eine noch größere Anzahl von Menschen in unserem Land findet die Sache vermutlich allein deshalb relevant, weil mit ihr zwei Feiertage begründet werden. Wobei am Karfreitag mit seinem Tanz- und Veranstaltungsverbot seit Jahrzehnten von interessierter Seite gerüttelt wird. Interessant ist, dass die kommunistische Diktatur den Karfreitag als Feiertag beließ. Der Ostermontag hingegen war in der DDR ein Arbeitstag. Als hätten die Herrschenden sagen wollen: Leiden und Tod ja, Auferstehung und Hoffnung Nein.

Was macht die Auferstehung glaubwürdig? Glaubwürdig heißt: Auch die Zweifel und ihre verschärfte Variante, die Verzweiflung sind in ihr aufgehoben. Auferstehung Jesu Christi ist würdig, geglaubt zu werden, weil sie die Quelle einer der vielfältigsten Gemeinschaften der Weltgeschichte ist. Sie verbindet Jahrhunderte und Generationen, Kontinente und Länder miteinander, weil aus ihr so viel Trost und Mut, Hoffnung in den dunkelsten Stunden geschöpft worden ist wie aus keiner anderen Geschichte. Nirgends wird der Mensch als Mensch in seiner Zerbrechlichkeit und schlechthinnigen Abhängigkeit so schnörkellos gezeichnet.

Ostern: Auferstehung musste sich gegen Unglauben durchsetzen

Vor Missbrauch ist die Auferstehung nicht geschützt, auch nicht vor Triumphalismus und falscher Siegesgewissheit. Die holpernden, stolpernden Ostererzählungen selbst zeigen uns, wie sich die Auferstehung von Anfang an gegen Widerstände durchsetzte, gegen Unglauben, Gerüchte und Verschweigen. Sie erzählen, wie wenig organisiert und zielgerichtet, wie unentschlossen und zaghaft die Verbreitung der Geschichte anlief: Die Anhängerschaft versteckte sich ängstlich. Die Marias am Grab begriffen am schnellsten, was geschehen sein könnte. Der Anführer namens Peter war gedemütigt und Thomas wollte nicht glauben ohne anzufassen. Bis hin zu den Emmaus-Jüngern, die nicht glauben konnten, bis ihnen die Herzen geöffnet wurden. Die Ostergeschichten entsprechen spiegelbildlich denen der Passion. Sie erzählen von der Aufregung der Jünger, die empört Jesu Ansage von Verrat zurückweisen. Sie berichten von tatsächlichem Verrat und Verleugnung, aber auch von Reue. Und sie sparen nicht das Verhalten der Jüngerschar aus, die sich davon schleicht aus Angst, ebenso festgenommen zu werden.

Die Frage zu Ostern: Was sind wir für Mennschen?

Was sind wir für Menschen? Das ist die Frage, die Ostern jedes Jahr in aller Schärfe stellt und wahrheitsgemäß beantwortet: Auf uns Menschen ist nicht wirklich Verlass. Wir unterschätzen die Wucht dramatischer Ereignisse und wir überschätzen unsere Fähigkeiten zum Widerstand. Und das ist vielleicht das menschlichste aller Verhaltensmuster – davon lebt jede Diktatur und auch die aktuellen Autokratien mit diktatorischen Zügen: Immer sind es nur Einzelne, die ihr Leben riskieren und dem Bösen die Stirn bieten, die der Versuchung zur Anpassung an die herrschenden Verhältnisse widerstehen.

Aus meiner Lebenserfahrung in der „Deutschen Demokratischen Diktatur“ kann ich sagen: Angst hat Kraft. Ich habe oft geschwiegen oder mitgemacht – aus Furcht. Auferstehung muss sich gegen alle Realität durchsetzen. Das Zerschellen und Scheitern der Hoffnung sind wahrscheinlicher als ihr Sieg. Eben darum müssen wir in jedem Jahr neu von der Auferstehung erzählen, anerzählen gegen Osterhasen in Stanniolpapier und hoffnungslos bunte Eier.

Ellen Überschär ist ist Vorstandsvorsitzende der Stephanus-Stiftung mit Sitz in Berlin-Weißensee.