Welche Gemeinsamkeit haben das Schloss eines Märchenkönigs, eine klassizistische Kirche und ein kantiges Bauhaus-Gebäude? Aus ihnen schlagen die Wurzeln des Grundgesetzes – und auch aus anderen Orten.
Das Grundgesetz wird 75 Jahre alt – geboren wurde es am Rhein. Heute ist es in Berlin Zuhause, auch wenn es von Karlsruhe aus bewacht wird. Spuren seiner Vorfahren führen auch nach Frankfurt, Weimar und an den Chiemsee.
Vor 75 Jahren, am 23. Mai 1949, trat in Bonn das Grundgesetz in Kraft. Dem vorangegangen waren achtmonatige Beratungen des Parlamentarischen Rats. Diese waren im September im Naturkundemuseum König feierlich eröffnet worden. So waren beim Festakt nicht nur die Politiker mit dabei, sondern auch zahlreiche ausgestopfte Tiere. Die Arbeit am Grundgesetz erledigten die 65 von Länderparlamenten entsandten Abgeordneten dann in der Pädagogischen Akademie – einem schlichten und funktionalen Bauhaus-Gebäude, das während der späteren Bonner Hauptstadtzeit dann Sitz des Bundesrates wurde. Hier wurde auch das Grundgesetz am 9. Mai verabschiedet.
Auf Schloss Herrenchiemsee tagte vom 10. bis zum 23. August 1948 eine Versammlung, die die Arbeit des Parlamentarischen Rats vorbereitete. Die drei westlichen Alliierten hatten zuvor auf die Gründung eines westdeutschen Staates gedrängt, weil die Entwicklung des Kalten Krieges die Hoffnung dämpfte, dass es zu einer Staatsbildung inklusive der sowjetischen Besatzungszone kommen könnte. Sie gestanden damit dem deutschen Volk als Kriegsverlierer schrittweise eine eigene Regierungsverantwortung zu, bereiteten damit aber letztlich den Weg hin zur deutschen Teilung. Im Verfassungskonvent bereiteten Sachverständige die verfassungsgebende Versammlung vor und entschieden, dass der Parlamentarische Rat in Bonn tagen soll.
Bereits einhundert Jahre zuvor hatten sich schon einmal Abgeordnete daran gemacht, eine Verfassung zu erarbeiten. 1848 traten in der Paulskirche 586 gewählte Vertreter zum ersten demokratischen deutschen Parlament zusammen. Hier wurde über eine Verfassung für einen deutschen Nationalstaat beraten. Ein Fokus dabei lag darauf, die Rechte des Einzelnen gegenüber dem Staat zu sichern. Die damalige Verfassung beinhaltete zum Beispiel Meinungs-, Glaubens- und Gewissensfreiheit; die Gleichheit vor dem Gesetz und ein Recht auf Bildung. Dem Projekt war kein langes Leben beschieden: Die Nationalversammlung löste sich 1849 wieder auf. Die Ideen von Grund- und Freiheitsrechten dieser ersten deutschen Verfassung finden sich aber im Grundgesetz.
Frankfurt war außerdem die Stadt, in der die Alliierten 1948 den Auftrag dazu gaben, eine Verfassung zu erarbeiten – und wo sie am 12. Mai 1949 den frisch verabschiedeten Text des Grundgesetzes genehmigten.
In Weimar trat ein Jahr nach dem Ende des Ersten Weltkrieges eine demokratische Nationalversammlung zusammen, um eine Verfassung für das damalige Deutschland zu schaffen. Für die thüringische Stadt als Versammlungsort entschied man sich zum einen, weil die politische Lage in Berlin unruhig und unsicher war. Zum anderen sollte Weimar als Stadt von Goethe und Schiller den Volkscharakter des neuen Staatswesen besser unterstreichen als Berlin, die Stadt des Kaiserreichs. Nach dreimonatiger Arbeit wurde dort eine Verfassung angenommen. 1933 setzte der damalige Reichskanzler Adolf Hitler die wesentlichen Grundrechte dieser Verfassung außer Kraft.
In Baden wachen Richterinnen und Richter am Bundesverfassungsgericht über die Einhaltung des Grundgesetzes. Dieses höchste Gremium der deutschen Rechtssprechung wurde 1951 gegründet. Es sorgt unter anderem dafür, dass der Staat die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger einhält. Es ist kein Zufall, dass dieses Kontrollgremium von Parlament und Regierung sich nicht in der Hauptstadt, sondern in Distanz dazu befindet.