Wer an einen Buch-Club denkt, hat vielleicht ein Grüppchen von Menschen vor Augen, das sich gemütlich bei Kaffee und Kuchen in einem Café oder Wohnzimmer trifft. Dort wird dann über eine Lektüre diskutiert, die alle vorher gelesen haben. Doch inzwischen ist die Welt der Buch-Clubs vielfältig. Neben den klassischen Lese-Clubs mit persönlichen Treffen gibt es Instagram-Buch-Clubs wie die der Schauspielerinnen Reese Witherspoon oder Emma Watson. Es gibt Silent Book Clubs, wo sich Menschen einfach zum gemeinsamen stillen Lesen treffen, queere Buch-Clubs, feministische Buch-Clubs, Fantasy-Buch-Clubs.
Christian aus München ist momentan in fünf solcher Runden. „Ich bin zum Beispiel in einem Sachbuch-Club und in einem, in dem wir immer wieder neu abstimmen, welches Genre wir als nächstes lesen.“ In einigen trifft er sich digital, in anderen persönlich mit den Mitgliedern. Beides habe seine Vorzüge, sagt er. „Aber das Schöne an den persönlichen Treffen ist das Diskutieren, auch mit Leuten, die man vorher vielleicht noch gar nicht kannte.“
Er habe manchmal das Gefühl, dass man diese Debatte als Gesellschaft verlernt habe. „In so einem Buch-Club kann man das wieder sehr gut lernen.“ Es sei schön, die unterschiedlichen Perspektiven zu hören: „In einem meiner Clubs sind die meisten um die 30, aber es ist auch eine Teilnehmerin dabei, die älter ist. Und da merkt man, dass sie noch einmal einen ganz anderen Blick auf die Bücher hat, weil sie andere Erfahrungen mitbringt. Das finde ich total spannend.“
Christian hat sogar eine Internet-Plattform entwickelt, auf der Buch-Begeisterte kostenlos einen Club gründen oder finden können: „leemos“ (spanisch für „Wir lesen“). Sie werde gut genutzt, sagt er: „Das schönste Feedback war, zu sehen, dass sich fremde Leute in ganz Deutschland zusammengefunden haben und dadurch neue Freundschaften geschlossen werden.“
Darin sieht Mona Lang, Programmleiterin im Bereich Internationale Literatur des Verlags Kiepenheuer und Witsch, auch einen der Gründe, warum Buch-Clubs gerade im Trend sind: „Viele Menschen leben heutzutage allein, fühlen sich vielleicht einsam. Bücher sind ein gutes Mittel, um eine Verbindung zu schaffen, um neue Kontakte zu knüpfen.“ Ein anderer Grund sei vielleicht auch der Trend zur Eventisierung der Bücher, vor allem im Bereich Romance und New Adult. „Es wird ein Hobby daraus gemacht, zu Lesungen zu gehen, die Buchmesse zu besuchen und sich Bücher signieren zu lassen.“ Durch BookTok auf TikTok und Instagram werde das Hobby Lesen sichtbar gemacht, sagt Mona Lang: „Die Menschen lesen nicht mehr allein nur für sich.“
Helen Daughtrey aus Bonn gehört zu denen, die das Lesen sichtbar gemacht haben: Sie hat 2020 den Instagram-Buch-Club „Mädels, die lesen“ gegründet. Während eines Burnouts habe sie Bücher für sich entdeckt: „Durch das Lesen von unterschiedlichen Geschichten habe ich mich mit meinen Lebensentscheidungen und auch mit meinen Ängsten auseinandergesetzt.“ Sie habe vor allem Geschichten über Frauen gelesen und wollte sich danach mit anderen Frauen darüber austauschen – das ging während der Corona-Lockdowns nur digital.
Der Hauptaustausch über die Bücher laufe nicht im Gespräch, sondern über die Kommentare unter den Instagram-Posts, sagt Helen Daughtrey. „Trotzdem finde ich, ist es immer ein schöner und intimer Austausch. Dabei geht es oft darum, wie wir uns beim Lesen gefühlt haben. Das ist die Basis, die ein Gefühl von Verbundenheit schafft.“ Inzwischen folgen ihrem Instagram-Kanal mehr als 10.000 Menschen.
Viel Aufmerksamkeit hat in vergangener Zeit eine ganz andere Form des Buch-Clubs gefunden: der Silent Book Club oder auch die Silent Reading Party: Menschen treffen sich und lesen in ihren jeweils eigenen Büchern. Die Vorgeschichte: 2012 haben sich zwei Frauen in San Francisco in einem Café verabredet, um gemeinsam in stiller Eintracht zu lesen. Laut Internetseite des Silent Book Clubs wollten die Gründerinnen der Bewegung, Guinevere de la Mare und Laura Gluhanich, einfach nur lesen – ohne den Druck, etwas Schlaues sagen zu müssen oder bis zu einem bestimmten Tag fertig zu sein. Das scheint einen Nerv getroffen zu haben. Denn inzwischen gibt es in mehr als 57 Ländern Silent Book Clubs – in Cafés, Büchereien oder Buchläden. In Deutschland sind es laut Homepage der Bewegung aktuell 37.
Einer davon findet sich seit Kurzem in der Stadtbibliothek Duisburg. Katharina Fehlberg von der Stadtbibliothek war an der Organisation beteiligt und sagt, das neue Angebot komme gut an: „Nach der Lesezeit gibt es immer noch eine offene Gesprächsrunde. Bei unserem letzten Treffen haben sich alle 16 Teilnehmenden daran beteiligt – es war ein Selbstläufer.“ All diese Beispiele zeigen: Egal, um welche Form von Buch-Club es sich handelt: Alle vereint die Liebe zu Büchern und die persönlichen Verbindungen, die durch die Bücher und Gespräche geschaffen werden. (1921/12.06.2025)