Artikel teilen

Die Landesbischöfin greift ein

Die Debatte um das landeskirchliche Archivgut in Greifswald geht weiter. Jetzt will die Landesbischöfin in Greifswald Gespräche mit den Kritikern führen – und gesteht Versäumnisse ein.

Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt
Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-SchmidtMarcelo Hernandez / Nordkirche

Greifswald. Nachdem die Archiventscheidung der Nordkirche unter Pommern-Forschern einen Aufschrei ausgelöst hat, sucht Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt nun das Gespräch: Nach Angaben von Beteiligten will sie am 2. Oktober mit Vertretern des Pommerschen Kirchenkreises und weiteren Kritikern in Greifswald zusammen kommen.

Sie bedauere, dass der Kirchenkreis von der Entscheidung der Nordkirchenleitung, das pommersche landeskirchliche Archivgut dauerhaft in Schwerin aufzubewahren, erst über eine Pressemitteilung erfahren habe, sagt sie gegenüber der Kirchenzeitung. „An dieser Stelle haben wir Verbesserungsbedarf in unserer innerkirchlichen Kommunikation.“

Rückzieher der Nordkirche

Noch vor einem Jahr hatte die Kirchenleitung verkündet, die Nordkirche wolle sich am Bau und Betrieb eines pommerschen Archivzentrums neben dem Greifswalder Stadtarchiv beteiligen. Das Projekt galt als Traum vieler Forscher in der Region, weil pommersche Archivalien von Stadt, Land und Landeskirche erstmals an einem Ort vereint gewesen wären, fachgerecht aufbewahrt. Im August dann die Mitteilung: Die Nordkirche steigt aus dem Vorhaben aus. Alle 700 laufenden Meter landeskirchlicher Akten sollen dauerhaft in Schwerin aufbewahrt werden, nur nach Vorbestellung in Greifswald nutzbar sein.

Pommersches Archivgut, das in Schwerin lagert
Pommersches Archivgut, das in Schwerin lagertTilman Baier

Dass Forscher hier zunächst Widerstand spürten, sei nachvollziehbar, sagt Kristina Kühnbaum-Schmidt. „Die Freude an einer lebendigen Archivarbeit besteht ja auch darin, Querverweisen und Spuren, auf die man im Akten­studium neugierig wird, nachgehen zu können“, das wisse sie von eigenen Forschungsarbeiten. Deshalb werde die Kirchenleitung sich mit Forschenden noch genauer darüber verständigen, wie es ganz praktisch geschehen solle.

Mehrere Geschichtsvereine, darunter der Pommersche Greif, die Historische Kommission für Pommern und die AG Pommersche Kirchengeschichte, hatten der Bischöfin in Offenen Briefen ihr Entsetzen über den Beschluss geschildert: Die frühere Zusage der Nordkirche werde damit ausgehöhlt, die Forschung zur Kirchen- und Landesgeschichte erschwert, die Identitätsbildung gestört.


Mehr zum Thema
„Das Vertrauen in die Nordkirche ist hin“ – Forscher aus Vorpommern reagieren
Kirchenkreis Pommern kritisiert geplatzten Umzug des Kirchen-Archivs


Die Bischöfin betont, sie nehme wahr, „dass besonders in Ostdeutschland die Sorge besteht, die eigene Identität könnte verloren gehen“. Sie verstehe das auch als Reaktion darauf, „dass Menschen im Osten angeben, bis heute keine ausreichende Anerkennung und Wertschätzung zu erfahren“. Die Rückbindung an die vertraute Kultur und die historische Identität werde dann besonders wichtig. Allerdings würden die Archivalien nicht „außer Landes“ gebracht, wie manche suggerierten, sondern in Schwerin im Bundesland MV gelagert. Nur neu anfallende pommersche Archivalien gingen nach Kiel.

Kühnbaum-Schmidt sieht keinen Verstoß

Einen Verstoß gegen das Einführungsgesetz der Nordkirche, demzufolge eine Außenstelle des Landeskirchlichen Archivs in Greifswald bleiben muss, sieht Kristina Kühnbaum-Schmidt in all dem nicht. Das Landeskirchenamt habe den Beschluss zum Archiv wie jeden Leitungsbeschluss geprüft, erklärt sie. „Hätte es hier Anlass zu Zweifeln an der Rechtskonformität des Beschlusses gegeben, wäre er nicht gefasst worden.“

Von der AG Pommersche Kirchengeschichte kommt neben Trauer und Kritik nun der Versuch, den herben Verlust doch noch zu einem Gewinn zu machen: Kirchenhistoriker Irmfried Garbe bittet die Nordkirche als Vorsitzender der AG, „den archivalisch abgeschlossenen Bestand der pommerschen Landeskirche zügig zu digitalisieren“ und über Forschungs-Datenportale zugänglich zu machen.

Debatte auf Synode erwartet

„Die Investitionssumme in die technische Ausstattung bleibt deutlich unter den absehbaren konventionellen Investitionsbedarfen“, argumentiert er. Nach drei, vier Jahren Arbeit sei die Nordkirche EKD-weit Vorreiter in Sachen moderne Forschungsbedingungen. Allerdings müsse in Greifswald eine Fachbegleitung arbeiten. Die Bischöfin sagt, den Vorschlag werde man prüfen.

Derweil könnte der bisherige Archiv-Beschluss auf der Landessynode vom 24. bis 26. September in Travemünde Thema werden. Der „Bericht der Kirchenleitung“ steht dort auf der Tagesordnung. „Ich gehe davon aus, dass es hier noch Diskussionen, Stellungnahmen und möglicherweise neue Überlegungen gibt, die ich sehr begrüßen würde“, erklärt Elke König als Vizepräses der Landessynode.

Enttäuscht über Rückzug

Immerhin, eine Sorge kann Patrik Dahlemann, Parlamentarischer Staatssekretär für Vorpommern, den Kritikern nehmen: Das Land MV will auch ohne Nordkirchenbeteiligung einen Ergänzungsbau neben dem Stadtarchiv in Greifswald errichten und darin die Pommernakten des Landes zugänglich machen. „Selbstverständlich“, sagt er. „Wir sind natürlich enttäuscht über den Rückzug der Nordkirche, aber wir respektieren die Entscheidung.“

Zudem bleibt das Kirchenkreisarchiv am Karl-Marx-Platz in Greifswald: mit Archivalien aus den Kirchenkreisen der früheren pommerschen Landeskirche.