„Was für eine Riesen-Chance!“ Wenn Iris Keßner über die Konfirmation spricht, spürt man Begeisterung. Die 46-jährige promovierte Theologin ist Pfarrerin und seit Februar als Dozentin im Pädagogischen Institut der Evangelischen Kirche von Westfalen zuständig für den Bereich Konfirmandenarbeit. „Oft hört man ja, bei der Konfirmation ginge es nur noch um Geschenke“, so Keßner. „Tatsächlich aber liegen hier echte Möglichkeiten für die Zukunft der Kirche.“
Vor allem eine Entwicklung gibt dabei Anlass für so viel Hoffnung: die Vernetzung von Konfirmanden- und Jugendarbeit. „Das ist erfolgversprechend und ein echter Trend.“ Die Konfirmandinnen und Konfirmanden werden dabei während ihrer Zeit in der Gemeinde von einem Team aus Pfarrerinnen, Pfarrern und Ehrenamtlichen begleitet.
Dazu können Mitglieder des Presbyteriums zählen. Vor allem aber Mitglieder der Jugendarbeit. Die sind nah dran an den Konfirmanden; wissen und fühlen, wie die Jüngeren ticken. „Nach der Konfirmation bleiben dann oft gar nicht so wenige dabei und halten den Anschluss an die Jugendarbeit“, berichtet Iris Keßner. Und im nächsten oder übernächsten Jahr sind sie es dann vielleicht schon, die ihrerseits die neuen Konfirmanden begleiten.
„Das ist gut für beide Seiten“, erklärt Expertin Keßner, die zuvor die Jugendkirche im Kirchenkreis Hamm geleitet hat, „gut auch für die Jugendarbeit“. Die jungen Leute müssten nicht immer wieder erst überlegen: Was machen wir denn diese Woche? Sie haben sofort ein konkretes Betätigungsfeld.
Jährlich werden in Deutschland rund 200 000 Jugendliche konfirmiert. Das sind mehr als 90 Prozent der evangelischen Jugendlichen eines Jahrgangs. „Damit ist die Konfirmation so etwas wie das Flaggschiff der Bildungsarbeit der evangelischen Kirche“, meint Iris Keßner. Wichtig ist ihr, dass man nicht mehr von „Unterricht“ spreche, sondern von „Konfi-Arbeit“.
Denn: „Es geht dabei nicht um Belehrung, ums reine Weitergeben von Inhalten zum Beispiel durch Auswendiglernen.“ Zentraler Bestandteil moderner Konfirmandenarbeit müsse das gemeinsame Erleben und Entdecken von Leben und Glauben sein.
„Dazu gehört vor allem das Erleben von Gemeinschaft“, erklärt Iris Keßner.
Durchgesetzt hätten sich mittlerweile Freizeiten und Konfi-Camps. Dabei wird – oft im Zusammenschluss von mehreren Kirchengemeinden und eben unter starker Einbindung der Jugendarbeit – in der Großgruppe eine ganz besondere Atmosphäre erfahrbar. Erlebnispädagogische und spirituelle Angebote werden dabei oft kombiniert: So finden täglich Andachten oder Bibelarbeiten statt, aber auch Workshops mit Erlebnisqualität. Abends gibt es häufig stimmungsvolle Angebote mit Eventcharakter und besondere Jugendgottesdienste bilden den Abschluss des Camps.
Und daheim, im Alltag? „Da gibt es ganz unterschiedliche Modelle“, berichtet die Expertin. Neben dem klassischen Aufbau – Wochenunterricht, 75 Stunden über etwa anderthalb Jahre – gibt es immer häufiger auch Mischmodelle, etwa: am Anfang wöchentlich, alle zwei oder vier Wochen. Später dann Blocktage, oft am Samstag.
Außerdem praktizieren einige Gemeinden das Modell „KA3/8“. Dabei findet der erste Teil der Konfirmandenarbeit bereits zur Zeit des 3. Schuljahres statt, der zweite während des 8. Schuljahres. Der Vorteil: „Man kann die Kindheitsphase stärker nutzen“, so Keßner. Eltern sollen eingebunden werden. Das sei wichtig, weil religiöse Prägung daheim immer seltener stattfinde.
Eine große Chance seien auch Praktika in der Gemeinde und in deren Einzugsbereich. Etwa: Kindergarten, Altenheim, Flüchtlingsarbeit, Eine-Welt-Laden.
Ein Großteil der Konfirmierten behält einer aktuellen Studie zufolge die Konfirmation als besonderen Tag im Leben in guter Erinnerung. Dabei zählt langfristig vor allem die Erfahrung, ein besonderes Familienfest gefeiert und den Segen empfangen zu haben. Die Bedeutung von Geld und Geschenken tritt schon nach kurzer Zeit deutlich in den Hintergrund. 75 Prozent von ihnen schätzen die Kirche sehr positiv oder positiv ein. Allerdings fehlt vielen Jugendlichen der Bezug zu ihrem eigenen Leben. „Sie haben schon den Eindruck: Kirche ist irgendwie gut“, so die Erfahrung von Iris Keßner. „Aber viele empfinden leider auch: Für mich persönlich gibt es da letztlich keinen Ort, ich bin nicht gemeint.“ Das gilt für Gottesdienste, Gemeindegruppen und weitere Angebote.
Hier, davon ist die Expertin überzeugt, könne und müsse die Kirche anknüpfen. „Wenn wir unsere Türen öffnen, die jungen Menschen ernst nehmen, auch mit ihren Ideen und gestalterischen Beiträgen, wenn wir uns wirklich auf sie einlassen: Dann ist das die Chance für die Kirche.“
• Dr. Iris Keßner kann angefragt werden für Beratung und Fortbildungen, etwa in Presbyterien und Pfarrkonventen. Adresse: iris.kessner@pi-villigst.de oder Telefon (0 23 04) 7 55 261.