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Missbrauchte Heimkinder: Opferhilfe mildert Schmerz Betroffener

Um missbrauchte Heimkinder in Deutschland ist es still geworden. Doch es gibt weiterhin Betroffene, die auf Unterstützung angewiesen sind. Eine Beratungsstelle in Stuttgart fängt Hilfesuchende auf.

Ehemalige Heimkinder bekommen heute kaum noch Hilfe (Symbolbild)
Ehemalige Heimkinder bekommen heute kaum noch Hilfe (Symbolbild)Imago / Panthermedia

Die große Aufarbeitung des Missbrauchs in deutschen Kinderheimen nimmt seit fünf Jahren ab. Seit Ende des „Fonds Heimerziehung“ 2018 sind kaum mehr Anerkennungsleistungen für die Opfer vorgesehen. Dabei haben noch längst nicht alle Hilfe bekommen. Das zeigt sich an den Anfragen in der Beratungsstelle für ehemalige Heimkinder in Stuttgart.

Die Sozialpädagogin Stefani Brenner berichtet von 60 Ratsuchenden, die sich im vergangenen Jahr an ihre Stelle gewandt haben. Die Erwartungen der Betroffenen sind diffus. Die einen wollen endlich Einsicht in ihre Akten und verstehen, was sich in ihrer Kindheit abgespielt hat. Andere wünschen sich vor allem Geld als Anerkennung für erlittenes Leid. Wieder anderen würde es schon genügen, eine offizielle Entschuldigung für die Grausamkeiten in Heimen und Pflegestellen zu erhalten.

Brenner hat eine 50-Prozent-Stelle für die Beratungsarbeit

Angesiedelt ist die Einrichtung bei der Ombudschaft in der Jugendhilfe Baden-Württemberg. Was eigentlich als reine Informationsstelle gedacht ist, entpuppt sich im Alltag oft genug als Lebensbegleitung. „Ich bin auch ein bisschen Seelsorgerin für die Betroffenen“, sagt sie.

Das lässt sich bei Schilderung der Schicksale leicht nachvollziehen. Wenn Menschen aus ihrer Zeit im Heim erzählen – wie sie verprügelt wurden, wie sie gnadenlos zum Aufessen von Mahlzeiten gezwungen wurden oder wie ihre Scham verletzt wurde, weil man von ihnen verlangte, öffentlich zu duschen -, dann ist klar, dass das an einer Seele nicht spurlos vorübergeht. Dazu kommt die Willkür, mit der Behörden diese Kinder oft behandelten. Sie wurden etwa ganz plötzlich verlegt, ohne Abschied nehmen oder sich auf die neue Einrichtung vorbereiten zu können.

Betroffene brauchen Zeit, um sich zu öffnen

Das heißt für Stefani Brenner: Beratung ist kein einmaliger Termin, sondern eine Sache mehrerer Gespräche. Manchmal dauere es bis zum dritten Treffen oder länger, bis die Hilfesuchenden mit ihren eigentlichen Problemen herausrückten. Ohnehin sei es ein häufiges Phänomen, dass Betroffene über ihre harte Kindheit mit niemandem sprächen – nicht einmal mit ihrem Ehepartner, ihren Kindern oder besten Freunden.

Wer auf staatliche Finanzhilfen hofft, läuft seit Ende des „Fonds Heimerziehung“ ziemlich ins Leere. Es gebe zwar noch Unterstützung nach dem Opferentschädigungsgesetz, doch seien die Hürden dort sehr hoch, erläutert Brenner. Anträge müssten aufwendig erarbeitet werden, was das erfahrene Leid neu lebendig mache. Die Leistungen seien dann oft dürftig. „Wir haben damit nicht sehr ermutigende Erfahrungen gemacht“, sagt sie seufzend.

Besser sieht es bei den Kirchen aus

Kirchen sind weiterhin bereit, Anerkennungsleistungen zu bezahlen. Und sie übernehmen auch anderweitig Verantwortung. Die Beraterin berichtet von einem katholischen Bischof, der erst vor Kurzem ein Ex-Heimkind persönlich getroffen und sich bei ihm entschuldigt hat. „Das bedeutet den betroffenen Menschen so viel, auch wenn klar ist, dass dieser Bischof keiner der Täter war“, beobachtet Brenner. Damit könne der Schmerz darüber, in einer kirchlichen Einrichtung nicht geschützt worden zu sein, abgemildert werden.