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Nach Justiz-Stopp: Debatte um Zurückweisung geht weiter

Ein Berliner Gericht hat Zurückweisungen an deutschen Grenzen untersagt. Bundesinnenminister Dobrindt will dennoch an dem Konzept festhalten. Fest steht offenbar: Er muss es besser begründen.

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU)
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU)Imago / dts Nachrichtenagentur

Aus Sicht des Europarechtlers Daniel Thym lassen sich Zurückweisungen an den deutschen Grenzen durchaus begründen. Dies habe die Bundesregierung bisher aber nicht ausreichend getan, sagte der Professor der Uni Konstanz dem Deutschlandfunk, einen Tag nachdem das Berliner Verwaltungsgericht die Zurückweisung von drei Somaliern durch die Bundespolizei für rechtswidrig erklärt hatte. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) beruft sich in seiner Anweisung von Anfang Mai auf eine in den europäischen Verträgen berücksichtigte nationale Notlage für das Zurückweisen von Migranten an der Grenze.

Zurückweisung an Grenze muss besser begründet werden

Staatsrechtler Thym hält dies im europäischen Rahmen für begründbar, wenn die Bundesregierung dabei die Herausforderungen bei der langfristigen Integration der vielen Geflüchteten hinreichend klarmacht. So habe Deutschland achtmal so viele Menschen wie Italien aufgenommen, bei einer nur anderthalbmal so großen eigenen Bevölkerung. “Es stimmt also nicht, dass andere Länder in Europa überlastet sind. Deutschland hat schon die meisten Leute relativ in Europa aufgenommen, wie auch Österreich und andere Länder auch. Und darauf würde ich anstelle der Bundesregierung abstellen.” Darüber müssten dann die höheren gerichtlichen Instanzen entscheiden.

Der Migrationsforscher Gerald Knaus hält das Konzept der Zurückweisungen an den deutschen Grenzen für gescheitert. “Alle Fälle, die vor Gericht kommen werden, wird die Bundesregierung verlieren bis hinauf zum Europäischen Gerichtshof. Die Frage ist nur, wie lange sie das noch durchziehen will”, sagte Knaus im Podcast “5-Minuten-Talk” des Magazins Stern.

Zurückweisung: EU-Türkei-Deal als Vorbild

Knaus empfiehlt der Bundesregierung stattdessen sichere Drittstaatenabkommen nach dem Vorbild des EU-Türkei-Deals von 2016. Dieser habe die Migrationszahlen schon einmal reduziert. Die EU-Kommission habe vor zwei Wochen Vorschläge präsentiert, mit deren Hilfe das rechtlich möglich würde. “Jetzt müssten SPD, CDU und CSU im Europaparlament dafür sorgen, dass es möglichst schnell durchkommt. Die meisten in der EU wollen das”, so Knaus. “Dann könnte man parallel dazu jetzt schon mit Verhandlungen und Angeboten beginnen. So schnell es geht.”

Bundesinnenminister Dobrindt (CSU) will Migranten in bestimmten Fällen weiter zurückweisen lassen. Die Beschlüsse des Berliner Verwaltungsgerichts seien lediglich Einzelfallentscheidungen, betonte der Minister am Montagabend in Berlin. Es gebe aktuell keinen Anlass, von der grundsätzlichen Praxis abzuweichen. Wohl aber habe die Entscheidung der Richter konkrete Konsequenzen für die Bundesregierung in dem vorliegenden Fall. Der CSU-Politiker kündigte an, ein sogenanntes Hauptsacheverfahren anzustreben. Dobrindt äußerte sich zuversichtlich, dann Recht zu bekommen.