Wie weit dürfen Initiativen politisch werden, wenn sie als gemeinnützig anerkannt sind. Die Union setzt Organisationen wie Greenpeace und Umwelthilfe unter Druck. Ein Überblick über die Debatte.
Die Unionsfraktion im Bundestag hinterfragt die Finanzierung von Nichtregierungsorganisationen und löst damit eine neue Debatte über Gemeinnützigkeit aus. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) nennt wichtige rechtliche Regelungen und beschreibt den seit Jahren andauernden Streit.
Deutschland zeichnet sich durch eine aktive Zivilgesellschaft und ein dichtes Netz von Nichtregierungsorganisationen aus. Es reicht von kirchlichen Verbänden über Sozial- und Menschenrechtsorganisationen bis hin zu Initiativen in Natur- und Tierschutz, Bildung und Demokratieförderung. Manche von ihnen bekommen staatliche Förderung. Viele Organisationen sind darüber hinaus als gemeinnützig anerkannt.
Es bedeutet, dass Unterstützer ihre Spenden steuerlich absetzen können, was die Spendenbereitschaft und damit die Einnahmen der jeweiligen Organisation erhöht. Außerdem wird keine Körperschafts- und Gewerbesteuer fällig. Der Gemeinnützigkeitsstatus gilt zudem als eine Art Gütesiegel nach außen.
Als gemeinnützig werden Organisationen und Initiativen anerkannt, wenn sie “die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos fördern”. Um als gemeinnützig anerkannt zu werden, muss eine Initiative einen der 26 Gemeinnützigkeitszwecke erfüllen, die in der Abgabenordnung (AO) festgelegt sind. Dazu zählen etwa die Förderung des Naturschutzes, der Heimatpflege und des Sports. Vereine, die sich politisch engagieren, berufen sich häufig auf die Gemeinnützigkeitszwecke “Förderung des allgemeinen demokratischen Staatswesens” und “Förderung der Volksbildung”, wozu auch die politische Bildung zählt.
Umstritten ist insbesondere, wenn diese Initiativen sich in politische Fragen einmischen und damit auch bestimmte Parteien oder politische Richtungen unterstützen. Insbesondere die AfD zeigte in den vergangenen Jahren immer wieder Vereine beim Finanzamt an, die sich ihr gegenüber kritisch äußerten. Jetzt hat auch die Unionsfraktion im Bundestag der abgewählten Bundesregierung einen umfangreichen Fragenkatalog zugestellt. Er hinterfragt die Förderung von Organisationen wie “Omas gegen Rechts”, BUND, Deutsche Umwelthilfe und Greenpeace, Attac, Foodwatch und Peta, aber auch von Medienorganisationen wie Correctiv oder Netzwerk Recherche. Die Union betont in ihrer Anfrage, Gemeinnützigkeit schließe parteipolitisches Agieren aus. Die Organisationen sprechen von einer Drohgebärde.
Die Union selber verweist in ihrer Kleinen Anfrage auf die Beteiligung der Organisationen an Protesten und Demonstrationen der vergangenen Wochen gegen eine mögliche gemeinsame Abstimmung von Union und AfD in der Migrationsdebatte. Nach Auffassung der Bundestagsfraktion stellten die Proteste gegen die CDU “eine gezielte parteipolitische Einflussnahme unmittelbar vor der nächsten Bundestagswahl dar, was nicht mehr vom Gemeinnützigkeitsrecht gedeckt ist”. Schon früher hatten Organisationen wie Attac und Campact eine Schieflage in der Debatte bemängelt, weil etwa der “Bund der Steuerzahler” als gemeinnützig gelte, obwohl sich die Organisation eindeutig politisch positioniere. Gleichzeitig werde Organisationen wie Campact und Attac die Gemeinnützigkeit entzogen.
In der Vergangenheit haben schon journalistische Angebote ihre Gemeinnützigkeit verloren, beispielsweise der Faktencheck-Blog Volksverpetzer. 2014 entzog das Finanzamt Frankfurt/Main der globalisierungskritischen Organisation Attac den Gemeinnützigkeitsstatus. Attac zog bis vor den Bundesfinanzhof, der 2019 entschied, dass Tätigkeiten der politischen Bildung, die darauf abzielen, politische Entscheidungen und die öffentliche Meinung im Sinne eigener Auffassungen zu beeinflussen, nicht gemeinnützig seien und daher keinen Anspruch auf Steuervorteile hätten. Politisch engagieren dürfe sich ein gemeinnütziger Verein nur, um den von ihm verfolgten Gemeinnützigkeitszweck zu fördern. So dürfe ein Verein, der im Bereich der politischen Bildung aktiv sei, auch nur zu bildungspolitischen Fragestellungen Position beziehen, nicht zu anderen Themen wie etwa der Globalisierung. Nun liegt der Fall beim Bundesverfassungsgericht.
Im vergangenen Juni wandten sich mehr als 150 Vereine und Stiftungen an die Ampel-Bundesregierung, weil sie wegen dieser Rechtsprechung ihr Engagement als akut gefährdet ansahen. Die Organisationen riefen die Ampel auf, das Gemeinnützigkeitsrecht zu reformieren – wie SPD, Grüne und FDP zuvor im Koalitionsvertrag angekündigt hatten. Diese Reform ist allerdings nicht mehr zustande gekommen.