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DAVA-Partei hofft auf Einzug ins Europaparlament

Die DAVA erregt viel Misstrauen – und könnte bei den Europawahlen punkten. Ihr Vorsitzender Özcan wehrt sich gegen das Image als “Islampartei” und fünfte Kolonne Erdogans.

Seit ihrer Gründung im Januar gilt die “Demokratische Allianz für Vielfalt und Aufbruch” (DAVA) als Ableger der türkischen AKP – und damit als politischer Hebel von Präsident Recep Tayyip Erdogan in Deutschland. Bei der Europawahl am Sonntag könnte sie wegen der fehlenden 5-Prozent-Hürde durchaus ein oder zwei Mandate erringen, meinen Beobachter. Schon rund 200.000 Stimmen reichen für einen Sitz im EU-Parlament. In ihrem Programm fordert die DAVA eine bessere Teilhabe für Migranten, ein positives Islambild und mehr Einsatz gegen Islamfeindlichkeit, eine aktive Bildungspolitik, traditionelle Familienwerte und einen starken Sozialstaat gegen Kinder- und Altersarmut.

Außenpolitisch setzt sie auf eine Zwei-Staaten-Lösung im Nahen Osten, “konstruktiven Dialog” mit Russland und pragmatische Beziehungen zu China und Iran. Die Türkei und ihr Streben in die EU erwähnt das Programm nicht. Kritiker bemängeln, dass sich die DAVA nicht vom politischen Islam und radikalen Islamismus abgrenzt. Insgesamt fördere die von türkischstämmigen Aktiven dominierte Partei, formal noch eine Wählervereinigung, in ohnehin aufgeheizten Zeiten die gesellschaftliche Spaltung, hieß es von Politikern aller Parteien.

“Bis heute gibt es bezüglich der DAVA allerdings keinen Beweis für eine Einflussnahme aus Ankara”, so Yunus Ulusoy gegenüber der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Der Programmleiter vom Essener Zentrum für Türkeistudien und Integrationsforschung hält den politischen Mehrwert einer “Erdogan-Partei” ohnehin für gering. “Was sollten zwei Abgeordnete in Straßburg für die Türkei schon bewegen?” Zudem verfüge der Präsident durch Organisationen wie den Islamverband Ditib oder die AKP-nahe “Union Internationaler Demokraten” (UID) bereits über viel effektivere Sprachrohre in die deutsch-türkische Community.

Kein Grund für den autokratischen Staatschef, es nicht auch mit einer politischen Partei zu versuchen, ließe sich einwenden. Zumal zwischen führenden DAVA-Leuten und staatstreuen türkischen Verbänden teils enge Verbindungen bestehen: Der Solinger Rechtsanwalt und Europa-Spitzenkdanidat Fatih Zingal (44) war UID-Sprecher; der Orthopäde Ali Ihsan (65) auf Listenplatz zwei leitete den Ditib-Landesverband Niedersachsen. Kandidat Mustafa Yoldas (53), ebenfalls Arzt, saß im Vorstand der vom Verfassungsschutz beobachteten Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs.

DAVA-Vorsitzender Teyfik Özcan beklagt eine Kampagne. “Wir sind keine Islampartei und keine Türkenpartei, sondern deutsche Staatsbürger, die ihr Land nach vorne bringen wollen”, sagt er KNA. “Ich interessiere mich als Politiker nicht für die Türkei.”

Über 30 Jahre war der Frankfurter Immobilienunternehmer, der Anfang der 1970er als Kind nach Deutschland kam, in der SPD. Doch heute stehe die einstige Gastarbeiterpartei nicht mehr für die Bedürfnisse des überwiegend wertkonservativen migrantischen Milieus ein. “Es begann mit der Agenda 2010 und endet heute mit der völlig überzogenen Genderpolitik. Das ist nicht mehr unsere Welt”, so der 53-Jährige.

Engagiert spricht er über seine Vision von einem Land ohne Parallelgesellschaften, in dem Alt- und Neudeutsche an einem Strang ziehen und der Islam als gleichberechtigt akzeptiert wird. Angesichts des wachsenden Wettbewerbs mit China, Indien und den USA müsse Deutschland seine Migranten als potenzielle Fachkräfte besser integrieren. “Dafür müssen wir patriotische Werte offensiver vertreten, aber auch Diskriminierung abbauen.” Immer noch werde eine Erika Müller vier Mal häufiger zum Vorstellungsgespräch eingeladen als eine Fatma Yildiz – “schon gar nicht mit Kopftuch”. Zugleich brauche es eine vernünftige Einwanderungspolitik, um die Zahl der Flüchtlinge deutlich zu senken.

Zu den Wahlkampfveranstaltungen in westdeutschen Großstädten seien jeweils bis zu 400 Leute gekommen, berichtet Özcan. Sogar ein TV-Wahlwerbespot wurde produziert, alles bezahlt aus Privatmitteln des DAVA-Teams, betont der Vorsitzende.

Aus Sicht von Integrationsforscher Ulusoy bleibt die DAVA für Migranten eine Alternative unter vielen. Zwar sind inzwischen rund 2,5 Millionen Muslime wahlberechtigt. “Das Wählerpotenzial der DAVA dürfte sich aber überwiegend auf sunnitische Deutsch-Türken beschränken. Schon bei den ethnischen Kurden stößt sie an ihre Grenzen.” Und überhaupt sei die muslimische Community viel zu heterogen, um sich hinter einer deutschen “Islampartei” zu versammeln.