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Chilli, Erdnussbutter und Integration

Gemeinsam kochen und essen ist kommunikativ und verbindet. Das erleben viele Menschen, die bei kitchen on the run einen Kochabend mitgemacht haben. Geflüchtete und Einheimische kommen zwanglos ins Gespräch – und mancher Kontakt bleibt bestehen

Es ist schon etwas frisch an diesem Abend um halb sechs. Dennoch trudeln auf dem Kirchplatz in Brackwede (Bielefeld) so nach und nach über 20 Menschen ein. Sie treffen sich im Kochcontainer von „kitchen on the run“ – ein Projekt des Berliner Vereins „Über den Tellerrand“, das Flüchtlinge und Einheimische zusammenbringen will.
Erst mal kann sich jeder etwas zu trinken nehmen, bekommt eine Schürze und versieht diese mit seinem Namen. Daniel und Agnes, bei „Über den Tellerrand“ angestellt, führen in den Abend ein. Es ist ihr 60. Kochabend in diesem Jahr. Bald geht es wieder nach Hause – nach fünf Monaten. In Brackwede kochen sie sein Mitte August. Unterstützung haben sie diese Woche von Rahma aus dem Irak. Rahma ist 21. Vorsichtig blickt sie in die Runde. „Für mich ist es wunderbar, dass hier dabei sein kann“, sagt sie. In der Vorstellungsrunde nennt jeder seinen Namen, wo er herkommt und sein Lieblingsgericht. Es sind Menschen zum Bespiel aus Syrien, Afghanistan, Uganda und dem Irak vertreten. Deutsche natürlich auch. Der älteste Teilnehmer ist Hans (70) aus Brackwede, die Jüngste ist Essraa (12) aus Syrien.
Doch genug geredet und vorgestellt. Jetzt wird gekocht. Drei Tischgruppen sind vorbereitet. Am ersten Tisch hat Martina ein Rezept für Bortschtsch mitgebracht. Sie arbeitet übrigens bei der Diakonie und hat das Projekt nach Brackwede geholt. Martina ist nicht aus Russland, ist diese Gemüsesuppe mit viel Roter Beete aber sehr gern. Am nächsten Tisch kocht Alex aus Uganda Hähnchenfleisch in einer scharfen Soße mit Kokosmilch. Den Platz daneben teilen sich Shirin, die Tabouleh, einen syrischen Salat macht mit Youssouf. Er kommt aus Mali und will Lamm mit Erdnusssoße zubereiten. Und hinter der Theke ist Georg am Werk und backt seinen Lieblingsnachtisch: Brownies – ein seeeehr schokoladiger Kuchen.
Alle anderen verteilen sich an die Tische und schon geht es los. Es wird Gemüse geputzt und geschnippelt, viel geredet und gelacht. „Alex, schau doch mal, passt das so?“, fragt Annette, die gerade Chillischoten schneidet. „Ja, gut so“, meint der Koch. „Wo ist Youssouf?“, tönt es vom Nachbartisch. „Was sollen wir jetzt machen?“, will Ursula wissen.
Vor dem Container stehen Shirin und Marim aus Syrien mit Rahma zusammen. Sie unterhalten sich auf arabisch. Als eine Deutsche dazukommt, wechseln sie sofort auf Deutsch. Shirin entschuldigt sich, dass sie noch nicht so gut deutsch spricht. Sie ist seit einem Jahr und zehn Monaten hier. „In Syrien konnten wir es nicht mehr aushalten. Immer nur bummbumm, immer Krieg, nirgends waren wir sicher“, erzählt sie. „Immer nur …“ sie sucht nach dem passenden Wort. Rahma hilft ihr: „…Angst?“. „Ja, Angst.“ Shirin nickt. Angst sei ihr stetiger Begleiter gewesen, sind sich die drei Frauen einig.
Leider hat Marim auch in Deutschland schon schlechte Erfahrungen gemacht. Letzte Woche wurde ihr Sohn in der Schule krankenhausreif geprügelt. „Es gibt hier viele gute Menschen. Aber auch ein paar, die uns nicht hier haben wollen.“ Rahma nickt. Auch sie wird gelegentlich von einer Nachbarin angefeindet. „Aber die meisten Menschen hier sind toll. So wie hier“, sagt Rahma und schaut zu der Truppe im Container.
Inzwischen riecht es verlockend nach leckerem Essen. „Mir knurrt auch schon der Magen“, sagt Annette. Ruckzuck ist der Tisch gedeckt. Es wird eng mit 26 Leuten an der langen Tafel. Dafür ist es warm.
„Hmmm, lecker“, murmelt Mohmad und lässt sich das Lammfleisch schmecken. Alex‘ Hähnchengericht mit Kokossoße riecht sehr appetitlich. Doch die Meinungen gehen weit auseinander. „Das schmeckt toll“, finden die einen. „Ich kann das nicht essen – viel zu scharf. Meine Lippen brennen schon“, sagt eine andere.  Doch jeder wird satt. Der Salat kommt gut an. Und beim Nachtisch sind sich alle einig: „Köstlich:“ Es bleibt von einem ganzen Blecht Brownies auch nur das Anstandsstück übrig.
Dann geht es ans Aufräumen. Ein paar machen sich daran, das Geschirr zu spülen, andere trocknen ab. Weil aber nicht alle eine Arbeit haben, fangen einige an zu tanzen. Rahma ist regelrecht aufgetaut. Sie ermuntert alle die herumstehen zum tanzen. Ursula fasst dieses Erlebnis zusammen: „Ein toller Abend. Anders wäre ich nie mit Geflüchteten so locker in Kontakt gekommen. Großartig.“