Umfrage unter Beratungsstellen in Baden-Württemberg identifiziert Einsamkeit als großes psychisches und soziales Problem. Auch die Corona-Pandemie wirkt nach. Caritas und Diakonie sehen Gefahr für Demokratie.
Caritas und Diakonie diagnostizieren eine wachsende Vereinsamung von immer mehr Menschen. Das Gefühl sozialer Isolation sei weit verbreitet, deutlich stärker als es öffentlich wahrgenommen wird, erklärten die beiden kirchlichen Wohlfahrtsverbände am Donnerstag in Stuttgart. “Einsamkeit ist ein Massenphänomen, aber niemand spricht gerne darüber”, sagte die Freiburger Caritas-Direktorin Birgit Schaer.
Allein in Stuttgart seien geschätzte 58.000 Menschen einsam, das sind rund zwölf Prozent der Bevölkerung. Eine neue Umfrage unter rund 600 Beratungsstellen von Caritas und Diakonie im Südwesten habe gezeigt, dass Einsamkeit in mehr als 60 Prozent der Beratungsstellen ein sehr häufiges Thema ist. Häufige Gründe für Einsamkeit sind laut der Umfrage demnach Armut, Alter, Krankheit oder auch Migration.
Die württembergische Diakonie-Vorständin Annette Noller betonte, die Corona-Pandemie habe die Einsamkeitskrise noch verstärkt. “Junge Menschen haben durch die Kontaktbeschränkungen während der Pandemie die Fähigkeit verloren, soziale Kontakte aufzunehmen und zu pflegen. Die Pandemie hat enorme psychische Erschütterungen verursacht, die bis heute viele Menschen belasten.” Auch zahlreiche ältere Menschen hätten in der Corona-Zeit persönliche Kontakte abbrechen müssen und danach nie wieder aufnehmen können.
Caritas und Diakonie forderten die Bundesregierung auf, die Arbeit der Wohlfahrtsverbände gegen Einsamkeit besser zu finanzieren. Es dürfe nicht zu einem Abbau von sozialer Infrastruktur kommen, sagten Noller und Schaer.
Indem Caritas und Diakonie Gesprächsräume für einsame Menschen öffneten, könnten sie verhindern, dass Betroffene in extreme oder radikale Denkmuster abrutschen, sagte Noller. “Denn die Menschen, die sich an uns wenden, werden gestärkt und können Unsicherheiten reflektieren. Caritas und Diakonie leisten auf diese Weise auch Demokratiearbeit.”